„Von einem Genossen, der in die Hände der Hitlerischen gefallen ist, berichten die Unseren:

Er wurde im Gefängnis gesehen.

Er sieht mutig und tapfer aus und hat noch

Ganz schwarzes Haar.“1

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Die Feuer brannten. Auf dem Römerberg in Frankfurt. Auf dem Opernplatz in Berlin. Auf dem Königsplatz in München.... Sie loderten in jeder deutschen Universitätsstadt.

Am 27. Februar 1933 abends zwischen 9 und 9 Uhr 15 bricht im Gebäude des Reichstags Feuer aus. Eine Stunde später wurden 6000 ‚Täter’ auf Grund von einzeln ausgefertigten und jeweils bebilderten Haftbefehlen festgenommen, verprügelt, ermordet.

Die gesamte bürgerliche Presse berichtete in größter Aufmachung über die angeblichen Mordpläne der Kommunisten:

... Diese Brandstiftung ist der bisher ungeheuerlichste Terrorakt des Bolschewismus in Deutschland. Unter den hundert Zentnern Zersetzungsmaterial, das die Polizei bei der Durchsuchung des Karl-Liebknecht-Hauses entdeckt hat, fanden sich die Anweisungen zur Durchführung des kommunistischen Terrors nach bolschewistischem Muster....2.

Die Kommunistische Partei Deutschlands vereinigte bei den ersten Präsidentenwahlen im März 1932 auf ihren Kandidaten Ernst Thälmann 4.960.000 Stimmen. Sie steigerte diese Stimmzahl bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 auf rund 5.300.000. Sie erreichte bei den Wahlen am 6. November 1932 sechs Millionen Stimmen. Die Kommunisten gingen in die Neuwahlen des 5. März 1933 mit den besten Aussichten. Bei den Wahlen im November 1932 hatte Hitler über 2 Millionen Stimmen verloren. Als Hitler an die Macht kam, erwarteten viele seiner Anhänger eine entscheidende Wendung zum Besseren. Sie kam nicht. Es bestand die Gefahr einer weiteren Abwanderung nationalsozialistischer Wähler ins kommunistische Lager.....

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Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften aufgelöst.

Am 10. Mai aber brauchte man wieder Feuer. Für die Bücher.

Bücherverbrennung als Volksfest!

Nur drei Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten brannten in vielen deutschen Städten Bücher.

Eine Münchner Zeitung schrieb am 5. Mai: „Die Hinrichtung des Ungeistes wird sich zur selben Stunde in allen Hochschulstädten Deutschlands vollziehen. In einer großen Staffelreportage zwischen 11 und 12 Uhr nachts wird gleichzeitig der Deutschlandsender ihren Verlauf aus sechs Städten mitteilen. Schon einmal weihten deutsche Burschen öffentlich vor allem Volk einen Haufen Bücher dem Feuer. Das war vor nunmehr hundert Jahren auf der Wartburg, und die achtunzwanzig Schriften, die der Zorn der Flammen damals ergriff, ... waren Werke des Muckertums, der Knechtsgesinnug, von Bütteln, Spießern und Dreigroschenseelen im Sold der Herrschenden hingesudelt... Und heute steht abermals das Gericht über sie auf, und abermals schichtet der deutsche Bursch ihnen das Feuer der Vernichtung“.

In der Münchner Zeitung vom 5. Mai 1933 steht weiter: „Es mag einen tüchtigen Stoß geben, denn nicht nur die Studenten sind aufgefordert worden, ihre Bücherschränke zu sichten, sondern an die ganze Bevölkerung ging der Ruf, und vor allem aus den Leih- und Volksbüchereien erwartet man kräftigen Zuzug. Und darum stehen heute schon Lastwagen bei der Studentenschaft gerüstet, und sie hat sich für das Werk der Zerstörung sogar schon mit einer pyrotechnischen Firma in Verbindung gesetzt. Am Nachmittag soll der Stapel schon aufgebaut werden. Eine gute Stunde lang dürften die Flammen wohl Nahrung finden...“

Die Feuer brannten. Auf dem Römerberg in Frankfurt. Auf dem Opernplatz in Berlin. Auf dem Königsplatz in München.... Sie loderten in jeder deutschen Universitätsstadt. Und wer war ‚Spießer’ und ‚Dreigroschenseele’?

Zu den 131 Namen gehörten Bertolt Brecht, Heinrich Mann, Theodor. W. Adorno, Thomas Mann, Nelly Sachs, Heinrich Heine, Hermann Essig, Lion Feuchtwanger, Rudolf Geist, Erich Kästner, Maria Leitner, Max Mohr, Ludwig Renn, Joseph Roth, Anna Seghers, Kurt Tucholsky, Alex Wedding, Arnold Zweig, Stefan Zweig und viele andere.

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Erich Kästner war dabei, als am 10. Mai seine Bücher von den Nazis verbrannt wurden. Was am 10. Mai 1933 geschah, beschrieb er:

Seit Bücher geschrieben werden, werden Bücher verbrannt.... Die Geschichte der Literatur und der Kunst ist zugleich eine Geschichte des Hasses und des Neides. Die Geschichte der Freiheit ist, im gleichen Atem, die Geschichte ihrer Unterdrückung, und die Scheiterhaufen sind die historischen Schnitt- und Brennpunkte....

Politik ist von uns selber erlebte Geschichte...

Als am 10. Mai 1933 die deutschen Studenten in allen Universitätsstädten unsere Bücher tonnenweise ins Feuer warfen, spürten wir: Hier vollzieht sich Politik, und hier ereignet sich Geschichte. Die Flammen dieser politischen Brandstiftung würden sich nicht löschen lassen. Sie würden weiterzüngeln, um sich fressen, auflodern und Deutschland, wenn nicht ganz Europa in verbrannte Erde verwandeln. Es würde so kommen und kam so. Es lag in der Unnatur der Sache.

Die Eriegnisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis die Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.3

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Bertolt Brecht schrieb 1938 über den Vorfall für den Deutschen Freiheitssender in Spanien das Gedicht “Die Bücherverbrennung”4:

Als das Regime befahl,

Bücher mit schändlichem Wissen

Öffentlich zu verbrennen,

und allenthalben

Ochsen gezwungen wurden,

Karren mit Büchern

Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte

Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der

Verbrannten studierend, entsetzt, dass seine

Bücher vergessen waren.

Er eilte zum Schreibtisch

Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.

VERBRENNT MICH!

Schrieb er mit fliegender Feder,

VERBRENNT MICH!

Tut mir das nicht an!

Laßt mich nicht übrig!

Habe ich nicht

Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern?

Und jetzt

Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt!

Ich befehle euch:

VERBRENNT MICH!

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Das blutige Rot der Scheiterhaufen ist immergrün.

Am 10. Mai 2019 werden wieder in ganz Deutschland Texte aus den damals verbrannten Büchern vorgelesen.

1 Bertolt Brecht: Ein Bericht, Gesammelte Werke, Bd.9 Gedichte 2, Frankfurt a. M., Suhrkamp 1967. S. 455

2 Quelle: EXIL, Literarische und politische Texte aus dem deutschen Exil 1933-1945, Herausgegeben von Ernst Loewy, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1979; “Brauenbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror”.

3 Erich Kästner, Gesammelte Schriften für Erwachsene, Band 8, S. 277. Atrium Verlag, Zürich 1969: Ansprache über das Verbrennen von Büchern auf der Hamburger PEN-Tagung am 10.Mai 1958.

4 Bertolt Brecht, Gesammelte Werke, Bd.9, Gedichte 2, Frankfurt a. M. 1967, S. 694.