Die Literatur brauchen nicht nur Einwanderer wie Engländer, Italiener, Kongolesen, Russen oder Araber. Wir alle brauchen sie. Sie ist tatsächlich ein Teil unseres Lebens. Weil wir durch sie ein Stückchen Glück erreichen. Weil es uns gelingt, mit einem kleinen Lächeln dem Salat aus Buchstaben einen Sinn zu verleihen, erweitern wir dadurch nicht nur unsere eigenen Horizonte, sondern wir debattieren dabei auch mit anderen in einer neu gefundenen Streitkultur. Durch sie nähern wir uns der Bereitschaft zum Verständnis. Humanismus findet in den Schriften seine Realität.

Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen benutzen ihre eigenen Sprachen und Jargons. Die Literaten benutzen aber ebenfalls ihre eigene Sprache. Was verstehen wir darunter? Wir möchten es schaffen, uns mithilfe vom Lesen und Schreiben das Leben zu verschönern, Ungerechtigkeiten dieser Welt zur Sprache zu bringen, Menschen aufzuklären und auch unseren Feind, die Unwissenheit, Vorurteile und Hass, wenn wir sie auch nicht vollends eliminieren können, zumindest zu lindern und unschädlich zu machen.

Obwohl es die nicht einheimische Öffentlichkeit weiß, gibt es genügend Einwandererautoren unter uns, die sich intensiv mit der Literatur beschäftigen. Es finden etliche Vorlesungen, Kulturabende, Literaturtage, Veranstaltungen und Treffen statt. Nach diesen Aktivitäten bzw. nach jeder einzelne Aktivitäten fühlt man sich besser, stärker, glücklicher. Das sind einzelne kleine Beweise, die auch die Ausländer von der Literatur verstehen, sie als eine Notwendigkeit sehen und sich dementsprechend verhalten. Weil sie wie das Wasser oder die Luft, das Brot oder Bier, sowie Nachrichten, Filme, Theater einen wichtigen Teil von unserem alltäglichen Leben ist. Eine gute Literatur bedeutet auch ein gutes Leben. Mit ihr kann man die Feinheiten und Köstlichkeiten von diesen vergänglichen Tagen zu genießen.

Die Erfahrungen und Erlebnisse aus den vergangenen Jahren zeigen uns sehr deutlich und dauerhaft, wie die Literatur Menschen zusammenbringen kann. Einwanderer leben seit über 50 Jahren in Deutschland. Erst jetzt kommen allmählich ihre Geschichten, Erzählungen, Erfahrungen, Beobachtungen und auch ihre Gedichte zur Sprache. Diese Menschen lebten seit Jahrzehnten in ihrer eigenen Schweigsamkeit. Jetzt ist es soweit: Sie möchten reden, schreiben, etwas von sich zeigen und etwas über sich mitteilen durch das Erzählen. Genau dies macht die Literatur für sie zugänglich. Die Literatur braucht nicht nur die so genannte Elite oder die Gebildeten oder Belesenen. Den Weg zur Literatur und auch die Literatur selbst, brauchen auch die einfache Menschen. Darunter auch Bauern und Gastarbeiter, die zum Teil unter starker Sehnsucht, Sprachlosigkeit und dem Hunger nach Wissen leiden.

Es stellt sich wohl noch die Frage, ob Literatur notwendig ist, obwohl es eine peinliche Frage ist. Eigentlich sollte die Frage andersherum lauten: Wie viel Literatur können wir vertragen? Oder: Was kann man und sollte man tun, damit die Literatur auch unter Einwanderern ihren würdigen Platz findet? Durch sie gelingt nämlich die oft vermisste und oft gewünschte Integration für beide Seiten. So wird es deutlich, dass dies kein unrealisierbarer Traum mehr ist. Wir sollen den Willen dazu haben, der Rest wird seinen Weg schon selbst finden.

25.01.2013