Die aktuellen Ergebnisse vom Statistikamt Nord sind besorgniserregend: Besonders in Gebäudereinigungsfirmen und in der Gastronomie wimmelt es von Billiglöhnern, die weit unter 8,50 Euro die Stunde verdienen. Jens-Peter Schwieger, Fachsprecher für Arbeit der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Die Zahlen geben einmal mehr Anlass, unsere Forderung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zu untermauern. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung immer noch nicht handelt. Es muss gelten: Wer Vollzeit arbeitet, muss damit sein Auskommen finanzieren können.“

Der Plan: Hamburg will nach Bremen als zweites Bundesland einen Mindestlohn einführen. Bremen hat jüngst einen Landesmindestlohn von 8,50 Euro etabliert, der für alle Firmen gilt, die Aufträge der Stadt haben wollen.

Taxifahrerin: 3,50 Euro/Stunde

Taxifahrerin Silvia Z. (Name geändert, 59) aus Altona
Taxifahrerin Silvia Z. (Name geändert, 59) aus Altona
Foto: Patrick Sun

Als Silvia Z. (Name geändert, 59) aus Altona vor neun Jahren als Taxifahrerin anfing, fuhr sie noch naiv durch ganz Hamburg, in der Hoffnung irgendwo Kundschaft aufzulesen. Nach zwölf Monaten schrieb sie ihre Einnahmen auf und rechnete zum ersten Mal ihren Stundenlohn aus: 2,85 Euro. Nachdem der erste Schock verdaut war, fuhr sie nur noch über Funk, sammelte erste Stammgäste und „spezialisierte“ sich: „Ich habe kein Problem, Tiere mit an Bord zu nehmen. Das mögen viele meiner Kollegen nicht so gerne“, sagt sie.

Mittlerweile hat sie ein paar ältere Frauen, die sie regelmäßig fährt, eine von ihnen wollte neulich nach Sankt Peter-Ording. 200 Euro auf einen Schlag. Dennoch: Aktuell kommt sie nur auf „800 bis 900 Euro im Monat“. Das macht einen Stundenlohn von knapp 3,50 Euro. „Ich habe längst Mietbeihilfe beantragt. Und Kino, Nagelstudio oder aufwendige Friseur-Besuche kann ich mir schon lange nicht mehr leisten.“

Wachmann: 4,15 Euro/Stunde

Wachmann Rainer B. (Name geändert, 63) aus Hamm
Wachmann Rainer B. (Name geändert, 63) aus Hamm
Foto: RUEGA

Zum Glück hat Rainer B. (Name geändert, 63) aus Hamm noch Rücklagen „aus dem vorherigen Leben“, wie er sagt. Sonst würde es knapp werden. Seit neun Jahren arbeitet er als Wachmann. 2010 heuerte er bei der Firma „Securitas“ an, in der Hoffnung ein bisschen mehr zu verdienen. Doch die neue Stelle erwies sich als Knochenjob mit dürftiger Bezahlung. Knapp 1000 Euro monatlich verdient Rainer B., das macht etwa 4,15 Euro pro Stunde. Die Schichten gehen von 6 bis 18 Uhr oder umgekehrt von 18 bis 6 Uhr. Abwechselnd in Glinde, in Wilhelmsburg und am Hafen muss Rainer B. Lagerräume bewachen, Mitarbeiterausweise kontrollieren oder Passierscheine ausstellen.
„Ich habe Kollegen, die schon am 10. eines Monats nicht mehr wissen, wie sie das restliche Spritgeld bis zum Monatsende auftreiben sollen. Unsere Arbeitsorte sind so abgelegen, dass wir auf unser Auto angewiesen sind“, sagt er. Früher hat er sich gerne teures Hi-Fi-Equipment gekauft, damit ist längst Schluss. Seine Frau ist zum Glück „die Hauptverdienerin“, sonst „würden wir kaum über die Runden kommen“. Jedes Mal, wenn er nach einer Gehaltserhöhung gefragt hat, hieß es vom Chef: „Tut mir leid, klappt nicht. Der Kunde zahlt mir auch nicht mehr Geld.“

DHL-Kurierfahrer: 5,30 Euro/Stunde

Kurierfahrer Werner P. (Name geändert, 29)
Kurierfahrer Werner P. (Name geändert, 29)
Foto: Florian Quandt

Langer Weg zum Dienst, ewige Arbeitszeiten und eigentlich kein Privatleben mehr: Werner P. (Name geändert, 29) rackert seit drei Jahren als Kurierfahrer beim Zustellerdienstleister DHL – für 5,30 Euro die Stunde. Unglaublich: Werner P. arbeitet trotz Festanstellung auf Provisionsbasis. Das heißt, Geld gibt es erst, sobald das erste Paket übergeben wurde. „Morgens muss ich oft für zwei Stunden erst mal die Lieferungen sortieren. Dafür bekomme ich aber keinen Cent“, sagt der 29-Jährige und seufzt. Seit Jahren würde er gerne Urlaub machen, einfach mal rauskommen, doch er steckt in der Sechs-Tage-Arbeitsmühle fest, kann sich eine mehrwöchige Auszeit finanziell nicht erlauben. Ein Hamsterrad.

„Ich habe sogar eigentlich noch Glück“, sagt er, „andere Zustellerfirmen zahlen viel schlechter als DHL. Immerhin bekomme ich immer pünktlich meinen Lohn.“

An einen Jobwechsel hat er schon oft gedacht. Er träumt davon, eines Tages beim Konkurrenten UPS zu arbeiten: „Da verdienen die Fahrer bis zu 17 Euro die Stunde.“ Mopo