Eine Woche vor den entscheidenden Abstimmungen in Senat und Kongress wächst der Widerstand gegen den Plan von US-Präsident Barack Obama gegen ein militärisches Eingreifen in Syrien.


Washington Post meldet, dass der Republikaner Michael Grimm seine Zustimmung für Obama zurückgezogen habe. Er werde gegen einen Militärschlag stimmen, sagte Grimm: „Nach vielen Gedanken, Beratungen und Gebeten bin ich nicht mehr länger davon überzeugt, dass ein Militärschlag gegen Syrien den Vereinigten Staaten eine Nutzen bringen wird, der nicht deutlich von den extremen Kosten eines Krieges übertroffen wird.“ Grimm glaubt, dass Assad in den vergangenen Tagen genug Zeit gehabt habe, um sich zurückzuziehen und mögliche Angriffsziele in Sicherheit zu bringen: „Wir haben nicht viel zu gewinnen, wenn wir auf eigene Faust eine Attacke starten.“

Grimms Meinungsumschwung ist bemerkenswert: Noch am Samstag hatte Grimm gesagt, dass Amerika „sein Wort halten muss“. Er sagte, dass sonst die Glaubwürdigkeit der USA gefährdet sei.

Nun ist er anderer Meinung – und somit der 91. Kongressabgeordnete, der sich öffentlich ausdrücklich gegen einen Militärschlag geäußert hat. Weitere 93 Mitglieder haben sich skeptisch über die Sinnhaftigkeit einer Attacke geäußert. Damit scheinen184 Kongress-Mitglieder entschlossen zu sein, gegen Obama zu stimmen. Wenn 217 Abgeordnete gegen den Einsatz stimmen, kann Obama den Angriff nicht durchführen.

Bloomberg hat eine etwas andere Zählweise, kommt aber zu einem ähnlichen Trend. Demnach gibt es erst fünf Prozent aus dem Kreis der Kongress-Abgeordneten, die sich ausdrücklich für einen Militärschlag ausgesprochen haben.

Auch im Senat, dessen Ausschuss sich am Mittwoch mit knapper Mehrheit für einen Einsatz ausgesprochen hatte, gibt es erst 20 dezidierte Ja-Stimmen. Der Senat umfasst 60 Mitglieder.

Die meisten Abgeordneten, die über den Einsatz entscheiden werden, teilen dieSkepsis aus dem Militär, das sich seit längerem über eine fehlende Strategiebeklagt. Der Widerstand geht quer durch die Lager, wobei es zu einer eigentümlichen Allianz der konservativen Tea Party und dem linken Anti-Kriegsflügel bei den Demokraten gekommen ist. Für die Tea Party lehnte der neue konservative Hoffnungsträger Rand Paul einen Einsatz glattweg ab – er könne bei allen Abwägungen keinen Sinn erkennen, sagte der Arzt aus Kentucky beim Hearing des Ausschusses.

Für die Linken sagte der Kongress-Abgeordnete Alan Grayson aus Florida in einem Interview, dass er gegen den Militärschlag stimmen werde: „Es hat bisher kein einziges amerikanisches Opfer in diesem syrischen Bürgerkrieg gegeben und ich wünsche mir, dass das so bleibt.“

Senator Marco Rubio sagte, es sei zu spät für den Einsatz, und der vorgeschlagene Einsatz sei zu begrenzt, um wirklich etwas in Syrien verändern zu können.

Unter der Führung des Kriegsveteranen und ehemaligen Präsidentschafts-Kandidaten John McCain hatte ein Gruppe von Senatoren im letzten Moment eine Änderung des Mandats erzwungen: Demnach solle es neben dem Militärschlag nun auch Waffenlieferungen für die Rebellen geben.

Das wiederum bringt andere Abgeordnete wie den Ron Paul auf: Er sagte auf Fox News, dass es absurd sei, dass die USA nun auf einmal die Terror-Gruppe von Al Qaida unterstützen sollte, die mit den Rebellen gegen Assad kämpfe.

Diesen Eindruck hatte McCain zu zerstreuen versucht: McCain bezog sich auf einen Bericht des Wall Street Journal, dem zufolge die Rebellen längst eine eher homogene, gemäßigte Gruppe unter der Führung der Freien Syrischen Armee sei, Al Qaida spiele in der syrischen Opposition keine Rolle mehr.

Die steigende Ablehnung von Senatoren und Kongressabgeordneten lässt den Schluss zu, dass Außenminister John Kerry auch in der geheimen Sitzung des Senats-Ausschusses keine besonders schlüssigen Beweise vorlegen konnte, dass wirklich Assad hinter dem Giftgas-Anschlag vom 21. August stehe.

Kerry hatte schon im öffentlichen Hearing keine besonders glückliche Figur gemacht. Er verwies fortlaufend auf den veröffentlichten Geheimdienst-Bericht, den er selbst bei seiner ersten „Kriegserklärung“ am Freitag vorgestellt hatte. Dieser Bericht ist in den Augen vieler eine Farce: Er bezieht sich auf Social Media, NGOs und nicht genannte „Interviews“, die die Geheimdienste in Syrien geführt haben wollen. Überprüfbar ist nichts von dem , was Kerry präsentierte.

Noch mehr Sorgen scheint den Politikern jedoch zu bereiten, dass Kerrys Ausführungen den Schluss zulassen, dass das Mandat doch weit über einen begrenzten Raketenangriff hinausgehen könnte. Kerry war in diesem Punkt bei dem Hearing unter Druck geraten, weil er angedeutet hatte, dass die Krieg weitergehend geführt werden könne, wenn die „außergewöhnlichen Umstände“ es erforderten. Erst auf mehrmaliges Nachfragen der Senatoren ruderte Kerry zurück und forderte die Medien auf, nicht zu schreiben, dass er gesagt habe, es könne mehr als nur einen Militärschlag geben.

Viele Abgeordnete bekommen offenbar massiven Gegenwind von den amerikanischen Bürgern: Diese lehnen den Militärschlag mit breiter Mehrheit ab . Das Kongress-Mitglied Justin Amash berichtet von Gesprächen mit ehemaligen Soldaten, die ihm gesagt hätten; „Man gewinnt keinen Krieg, indem man in noch weitere Kampfhandlungen verwickelt wird.“

Viele Abgeordnete werden offenbar von ihren Wählern ständig an Vietnam und denIrak erinnert. In beiden Fällen hatten die Amerikaner viele länger und verlustreicher zu kämpfen als geplant, ohne in den Ländern die von ihnen versprochene politische Stabilität herstellen zu können.

Auch Obamas glühendste Verehrer gehen auf Distanz zum Präsidenten: Die Bewegung MoveOn.org, die Obama entscheidend zu seinem Wahlsieg verholfen hatte, startete einen Online Petition und verzeichnete am Donnerstagabend 50.000 Unterschriften gegen einen Militärschlag.

Ob dieses Stimmungsbild Kongress und Senat tatsächlich abbringen wird, für den Einsatz zu stimmen, wird maßgeblich an den Argumenten liegen, die die Parteiführer Nancy Pelosi auf demokratischer und John Boehner auf republikanischer Seite in den kommenden Tagen vortragen können.

Bisher sind die Parteien meist dem Votum ihrer Führer gefolgt – beide unterstützen Obama. Doch Boehner kann sich noch zu gut an eine schmerzliche Niederlage erinnern: Im Streit um das Haushalts-Defizit hatte ihm die eigene Fraktion erst Ende des vergangenen Jahres die Gefolgschaft verweigert.