Ihren Anfang genommen hatte die Geschichte bereits vor drei Jahren. Das türkische Ingenieurunternehmen für Bau und Handel MAK-IN habe damals, so berichtet die türkische Zeitung Sabah, mit dem deutschen Unternehmen Envirotherm einen Vertrag geschlossen. Der Deal: MAK-IN solle eine Fabrik in Deutschland abbauen, um diese anschließend wieder in Indien zu errichten. Hierzu mussten natürlich Mitarbeiter des Unternehmens nach Deutschland kommen. „Um diesen Vertrag zu erfüllen hat MAK-IN beim deutschen Konsulat in Izmir für 60 Mitarbeiter Visa über jeweils 90 Tage beantragt. Doch das Unternehmen bekam keine Visa und konnte den Auftrag nicht erledigen“, fasst das Blatt die Crux zusammen (seit Jahren fordert die Türkei, die Visabestimmungen zu lockern ).

Die Konsequenz folgte auf dem Fuße: Das  deutsche Unternehmen fackelte nicht lange, kündigte den zuvor geschlossenen Vertrag einseitig und MAK-IN wiederum verklagte Deutschland darauf hin wegen „unerlaubtem Handeln“ und dem dadurch entstandenen Schaden.

Keine Zahlung: Deutsche Behörden stellen sich stur

Die Klage wurde vor Gericht zugelassen und Deutschland erhielt eine entsprechende Vorladung. Soweit so gut: „Doch die Bundesregierung“, so schreibt die Sabah weiter, „erklärte, dass lokale Gerichte sie nicht vorladen kann und wandte sich an das türkische Außenministerium und nahm nicht an den Verhandlungen teil.“ Ein Urteil wurde dennoch gesprochen: In Abwesenheit verurteilte das Gericht die Bundesrepublik zur Zahlung von 712 850 Euro Schadensersatz. Doch die deutschen Behörden blieben stur. Auf das Urteil, das schriftlich an die deutsche Botschaft weitergeleitet worden sei, wurde nicht reagiert und MAK-IN wurde ein weiteres mal aktiv. Das Unternehmen lies daraufhin die Besitztümer der deutschen Regierung in der Türkei pfänden.

Unter den Pfändungsgütern befinde sich nach Angaben der Zeitung das Deutsche Gymnasium in Istanbul und ein 170 Hektar historisches Waldstück. Wenn Deutschland bis zum Ende der Zahlungsfrist das Geld nicht an MAK-IN überweise, werde der Schaden durch die Einnahmen vom Verkauf des Gymnasiums und des Waldstückes gedeckt. Der Anwalt Hüseyin Cimşir, der Teilhaber des Unternehmens ist, bestätigte dem Blatt die verfahrene Situation. Deutschland wolle das Urteil des türkischen Gerichtes nicht anerkennen. Es bleibt daher nur eins: „Wir werden das Geld durch den Verkauf von deutschen Gütern beschaffen.“

Türkei will kein Rückholabkommen mit der EU unterzeichnen

Warum den Mitarbeitern der türkischen Firma die Visa verweigert wurden, darüber gibt das Blatt keinen Aufschluss. Das Thema Visafreiheit ist für die türkisch-europäischen Beziehungen jedoch von besonderer Bedeutung. Bereits seit Jahren fordert die Türkei nichts so sehr von der EU als endlich Visafreiheit für türkische Staatsbürger zu erhalten. Obwohl die Türkei zum Schengen-Raum gehört, können Türken nicht frei reisen. Das Land wird hingehalten. Verhandlungen zur Visa-Erleichterung will die EU nur aufnehmen, wenn die Türkei vorher das geforderte Rückholabkommen für Immigranten unterzeichnet.

Mitte Dezember hat die EU der Türkei nun eine Roadmap zukommen lassen, die die schrittweise Lockerung der Visa-Regelungen darlegt (diese wurde bereits vom türkischen EU-Minister Egemen Bağış angekündigt ). Doch bevor dieses Papier überhaupt besprochen werden könne, müsse die Türkei einen Deal unterzeichnen, der regelt, dass Immigranten, die nachweislich über die Türkei als Transitland in die EU gekommen sind, wieder in die Türkei zurückgeschickt werden können. Hier muss sich dann um alles weitere gekümmert werden. Nach Unterzeichnung werde die EU sechs Monate lang kontrollieren, ob das Abkommen eingehalten werde, wie die Tageszeitung Zaman berichtete.  Nach Angaben der Zeitung habe Ankara das allerdings entschieden abgelehnt. Denn auch bei Unterzeichnung des Abkommens, hat die Türkei keine Garantie auf Visafreiheit, allein der Beginn der Gespräche wird damit versichert.