Am 16 September 1988 brachen 18 politische Häftlinge aus dem Kırşehir Gefängnis in der Türkei in die Flucht aus. Innerhalb von ein paar Tagen wurden 6 davon erwischt, der Rest ist weltweit untergetaucht. C. Erdal Aykaç ist einer von denen und erzählt uns seine Fluchtgeschichte in diesem Buch. Das Buch ist im Jahre 2010 in Istanbul erschienen und innerhalb eines Monats wurden zwei Auflagen herausgebracht. Heute ist es in Internetbuchläden immer noch zu haben. Somit tut Aykaç etwas Ungewöhnliches, da er seine Erlebnisse und Erfahrungen zur Sprache bringt, was in revolutionären Kreisen sehr unüblich ist.

Wer weiß wie und mit welchen Zweck C. Erdal Aykaç sein Buch angefangen hat. Daraus entstand ein Gefängnisausbruchklassiker, könnte man meinen. Aber klugerweise blieb er nicht nur bei dem Ausbruch, sondern geht auch ziemlich weit zurück wie das alles angefangen hat. Unter anderem wie er zu einem politischen Menschen geworden ist, ob er eine andere Wahl gehabt hätte, was für Entwicklungen er hinter sich gelassen hat, seine ersten politischen Aktivitäten, wie er zum ersten mal von der Polizei festgenommen wird, seine Folter und Erfahrungen mit der türkischen Justiz, die erste Begegnung mit dem Gefängnis, was es für ihn bedeutet ein freier Mensch zu sein, etc.

C. Erdal Aykaç stammt aus Adana, und die Stadt war schon damals also vor dem Militärputsch 12. September ein Schauplatz von politischen Morden, radikalen Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsradikalen, aber auch mit reichlich viel Gewalt untereinander. Die Stadt und ihre politische Struktur und dazugehörigen Zutaten entwickeln sich gemeinsam. Der Autor lebt ja nicht im Mond oder woanders in dieser Stadt. Man darf nicht vergessen, wie die Umgebung uns wirtschaflich, sexuell, kulturell, religiös aber auch politisch beeinflußt und dirigiert.

Das Werk ist in diesem Sinne eine Autobiografie. Das Ganze fängt im September 1978 an und geht bis zum September 1988 weiter, nämlich zur Ausbruchszeit. Also 10 Jahre aus seinem Leben könnte man sagen. Man denkt, dass 10 Jahre für politische Tätigkeiten und Karrierenentwicklung nicht viel Auswirkung haben, aber in solchen Ländern wie der Türkei, erschienen diese 10 Jahre wie ein unendlicher Zeitraum. Vor allem wenn sie mit einer illegalen Organisation sympathisieren oder für diese tätig und aktiv sind. Wie viele Jugendliche, wie dieser Autor, wurden damals zu politischen Opfer des damaligen Systems, und davon weiß keiner.

C. Erdal Aykaç´s Leben ist selbstverständlich in diesem Sinne für die Türkei nicht so außergewöhnlich. Aber für uns Menschen, die im Westen leben, mehr als extragavant. Um zurück zur Flucht zu kommen: diese Aktion erschütterte damals die ganze Türkei. Menschen, die unter Staatsterror jahrelang gelitten haben, freuten sich mit den Geflüchteten selbstverständlich zusammen. Es gab landesweit große Suchaktionen, tagelang berichteten die Medien darüber, natürlich immer einseitig. In diesem Sinne gibt uns der Autor als Betroffener eine ganze Menge Informationen, wie diese Menschen sich zur Flucht vorbereitet haben, wie es ihnen gelungen ist zur Freiheit zu entkommen und was vor, während und nach dem Ausbruch passiert ist.

Sicherlich werden eines Tages, wenn das Land die Demokratie kennengelernt über diesen Fall Kinofilme gedreht werden und ehrenvolle Künstler geben, die dieses Thema herzlich behandeln werden. Bis dahin muss man weiter hoffen und aber auch wenn es nicht klappt, noch mal versuchen!
03.06.2019