Der «Spiegel»-Journalist Hasnain Kazim kann sich über mangelnde Aufmerksamkeit für seine Artikel nicht beklagen. Über die Inhalte der Reaktionen allerdings häufig schon – zum Beispiel, wenn ihn ein Leser in einer Mail mit «Kazim, du bepimmelter Kackmuslim» anredet. Seit der islamkritischen Pegida-Bewegung hätten rassistische Hassmails «deutlich zugenommen», sagt der Sohn indisch-pakistanischer Eltern, der übrigens gar kein Muslim ist. Das Material für die «Hate Poetry» geht dem 40-jährigen Türkei-Korrespondenten so schnell garantiert nicht aus.

Am 15. Februar feiert die «Hate Poetry» im «Hebbel am Ufer» in Berlin ihren dritten Geburtstag. Neben Kazim werden acht weitere Journalisten mit Migrationshintergrund, wie das neudeutsch heißt, auf der Bühne sitzen. Sie werden Leserbriefe vorlesen und vor dem Publikum darum wetteifern, wer die absurdesten Beschimpfungen erhalten hat. In der Kategorie «Sehr geehrte Frau Fotze, lieber Herr Arschloch» geht es um Anreden, in der der «Spiegel»-Journalist beispielsweise «Kazim, du Karzinom» aufzubieten hat. Hassschreiben in epischer Länge finden in «Die große Oper» ihren Platz.

«Man merkt, dem Publikum bleibt das Lachen am Anfang schon im Hals stecken», sagt Kazim. «Aber am Ende ist es eine Riesengaudi für alle.» Seit Jahren würden er und die «Hate Poetry»-Kollegen von rassistischen Lesern beschimpft. «Diese Briefe zu kriegen ist furchtbar. Kein Mensch freut sich darüber. Aber wir wollen mit dieser Scheiße nicht alleine bleiben.» Das Verlesen der Schreiben vor Publikum «hat eine unglaublich therapeutische Wirkung, das sagen die Kollegen genauso». Gleichzeitig sei die «Hate Poetry» eine politische Veranstaltung. «Wir beziehen klar Position gegen diese Leute», sagt der Journalist. «Wir lachen sie aus.»

Kazim erhält Mails wie diese: «Für einen Gast in Deutschland sind Sie aber ganz schön unverschämt!» Oder auch diese: «Deutsch sein beginnt mit dem Namen. Jemand, der Hasnain Kazim heißt, kann niemals Deutscher sein!!!» Kazim wurde in Oldenburg geboren, ist deutscher Staatsbürger und diente als Offizier in der Bundesmarine. «Ich glaube schon, dass es in Deutschland einen latenten Rassismus gibt», sagt er. Auf einen Pegida-kritischen Kommentar bei «Spiegel Online» habe er insgesamt 1700 Mails erhalten – darunter 900 hasserfüllte.

Inzwischen touren die «Hate Poetry»-Journalisten durch die ganze Republik, die Häuser sind regelmäßig ausverkauft. Auch in Dresden im vergangenen Monat war der Saal rappelvoll. «Wir wollten in Dresden lesen, als Pegida anfing», sagt Kazim. Das Publikum dort sei «super» gewesen und habe Sinn für Ironie bewiesen. «Die haben unser Ensemble mit “Lügenpresse, Lügenpresse” begrüßt.» Ob er dafür sei, mit den Pegida-Anhängern zu sprechen? «Ich bin der Meinung: Nein. Weil da soviel Hass und Rassismus drinsteckt. Die sagen, sie reden nicht mit der Presse. Aber sie schreiben Leuten wie mir seit Jahren Briefe.»

Bei der Polizei anzeigen würde er Schreiber nie, sagt Kazim – auch wenn er oft Briefe erhalte, «die einem nahegehen, wo man schluckt». Zum Beispiel die Mail eines Lesers, der sich dort selber als «ein Pegida-Fan» bezeichnet und Kazim vor wenigen Tagen schrieb: «Wir Deutschen sollten mit euch Muselmanen das Werk fortsetzen, das wir mit den Juden begonnen haben! Mit dir zuerst! Ich freue mich, dir mal zu begegnen, wenn du als Rauch aus dem Schornstein wehst!» Kazim postete das Schreiben auf seiner Facebook-Seite. Darunter fügte er hinzu: «Und mit solchen Leuten soll man einen Dialog führen?»