Zum ersten Jahrestag der Gezi-Park-Proteste herrschte unter türkischen Sicherheitskräften Alarmbereitschaft. Regierungsgegner hatten den Istanbuler Taksim-Platz, der schon 2013 im Zentrum der schließlich landesweit stattfindenden Proteste stand, bereits im Vorfeld als neuerlichen Hotspot der Kundgebungen auserkoren. Doch das Signal der Behörden war klar: Keine Zusammenkünfte auf dem Taksim-Platz als auch in anderen Gegenden der Bosporus-Metropole.


Nach Angaben von Abdülbaki Boğa von der Vereinigung für Menschenrechte sollen am Ende mindestens 83 Menschen festgenommen und allein in Istanbul 14 Menschen verletzt worden sein. Istanbuls Polizeichef Selami Altinok sprach zuletzt gar von 120 Festnahmen.

Die Situation spitzte sich zu, als rund 25.000 Polizeibeamte, 50 Wasserwerfer, eine nicht unerhebliche Anzahl von gepanzerten Fahrzeugen sowie Hubschrauberentsandt wurden, um jede Versammlung auf dem Taksim-Platz und in der Umgebung zu verhindern. Mit einem zweiten Befehl sollen dann sämtlichen Beamten der Urlaub gestrichen und die Schichten auf zwölf Stunden erhöht worden sein, so die türkische Zeitung Hürriyet. Darüber hinaus seien Sicherheitskräfte aus elf weiteren Provinzen mit Blick auf mögliche Proteste nach Istanbul beordert worden. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan warnte nur Stunden vor den geplanten Kundgebungen: „Sie werden nicht in der Lage, zu den Orten zu kommen, wie sie es im letzten Jahr getan haben. Die Polizei hat präzise Befehle erhalten und wird allestun, was nötig ist.
Nach einem ruhigen Samstagmorgen widersetzten sich die Bürger jedoch der Aufforderung der Regierung und traten nicht nur in Istanbul, sondern auch in anderen türkischen Städten zusammen. In Sprechchören forderten sie die Regierung zum Rücktritt auf. Erste Wasserwerfer-Einsätze in Ankara und am Bosporus gab es gegen 19 Uhr am Abend. An einzelnen Punkten dauerten die Proteste bis tief in die Nacht hinein.

Im Zuge der Proteste wurde auch der CNN-Korrespondent Ivan Watson währendeiner Live-Schaltung vom Taksim-Platz aus festgenommen. Ein Polizist soll ihn dabei sogar getreten haben. Zwar kam der Reporter bereits kurze Zeit später wieder auf freien Fuß. Der Verband der türkischen Journalisten verurteilte die Polizeiaktion dennoch als „beschämend“.

Wie ein aktueller Bericht
 der in Paris ansässigen Internationalen Föderation für Menschenrechte besagt, sollen mehr als 5.600 Demonstranten für die Beteiligung anden Protesten des Jahres 2013 verfolgt worden sein, während hingegen niemand für die Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich gemacht wurde. Die türkischen Behörden betreiben eine 
„aktive Hexenjagd“ gegen jene, die an den Protestenteilgenommen oder sich für sie ausgesprochen haben, so Verbandspräsident KarimLahidji.