Die türkische Telekommunikationsbehörde (TİB) hat an diesem Donnerstag die Videoplattform YouTube gesperrt. Damit macht sie nun zum ersten Mal von ihren neuen Befugnissen Gebrauch und agiert ohne Gerichtsbeschluss. Die Aktion kommt nur einen Tag, nachdem ein Gericht in Ankara die herrschende Twitter-Sperre aus unrechtmäßig erachtet hat.


Gedroht hatte der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan schon häufiger damit, seit Donnerstag ist seine Drohung nun Tatsache: Nach dem Kurznachrichtenforum Twitter hat die türkische Regierung drei Tage vor der Kommunalwahl auch die Videoplattform Youtube sperren lassen.

Laut unbestätigten Berichten war auf Youtube zuvor eine Tonaufnahme hochgeladen worden, auf der zu hören sein soll, wie der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu, Geheimdienstchef Hakan Fidan sowie ein General über die Möglichkeit einer türkischen Militärintervention in Syrien und die in diesem Falle zu erwartenden Reaktionen der Weltöffentlichkeit diskutieren. Als das Gespräch auf die Frage kommt, wie eine solche Militäroperation in Syrien zu rechtfertigen sei, sagt ein Mann, angeblich Geheimdienstchef Fidan: „Eine Rechtfertigung kann geschaffen werden. Es geht darum, den Willen (zu einer Intervention) zu schaffen.“ Kurz nach dem Erscheinen dieses Mitschnitts sei die Plattform in der Türkei gesperrt worden, berichteten türkische Medien.

„Nach der technischen Analyse und rechtlichen Betrachtung auf Grundlage des Gesetzes Nr. 5651, wurden gemäß der Entscheidung Nr. 490.05.01.2014.-48125 vom 27/03/2014 von Telekomünikasyon İletişim Başkanlığı administrative Maßnahmen gegen diese Seite (Youtube.com) ergriffen“.

Möglich wurde das durch die Anfang Februar verabschiedete verschärfte Internet-Gesetzgebung. Die türkische Gesetzgebung sieht seit der Unterzeichnung des Entwurfs durch Präsident Abdullah Gül die weitaus schnellere Möglichkeit zur Sperrung von Internetseiten durch die türkische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TİB) vor – und das ohne Gerichtsbeschluss. Als Indikation müssen lediglich eine vermeintliche Verletzung der Privatsphäre oder „beleidigende“ Inhalte vorliegen. Behörden haben im Zuge der Änderung des Gesetzes Nr. 5651außerdem die Befugnis, künftig die Surfaktivitäten der User aufzuzeichnen und für ganze zwei Jahre abzuspeichern. Das Vorhaben hatte im Vorfeld nicht nur türkische Bürger auf die Straßen getrieben, sondern auch für internationalen Protest gesorgt.

Dass nach Twitter auch YouTube gesperrt werden könnte, das signalisierte der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan nicht erst gestern. Bereits Anfang März deutete er an, dass er in Anbetracht des andauernden Korruptionsskandals offenbar bereit ist, den nächsten Schritt in Sachen Internetzensur zu gehen. Vor laufenden TV-Kameras drohte er an, YouTube und Facebook in der Türkei sperren zu wollen.

Erst am Mittwoch hatte ein Verwaltungsgericht in der türkischen Hauptstadt Ankara entschieden, dass die seit 21. März andauernde Twitter-Blockade für türkische User unrechtmäßig sei. Die TİB hat seither 30 Tage Zeit, um zu reagieren oder Widerspruch einzulegen. Nur kurz nach dem Richterspruch ließ der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arınç verlauten, dass Ankara das Urteil wohl akzeptieren werde. „Wir werden die Entscheidung des Gerichts umsetzen. Wir mögen die Entscheidung des Gerichts zwar nicht mögen, aber wir werden sie durchführen“, zitiert die türkische Zeitungen den Politiker. Mit der jetzigen Sperrung von YouTube wurde die Atmosphäre kurz vor den Kommunalwahlen am kommenden Sonntag jedoch noch einmal angeheizt.