„Die europäische Flüchtlingspolitik steckt in der Krise“ - sowohl Flüchtlinge als auch Unterstützer sagen diesen Satz immer wieder. Hunderte Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe leben seit Monaten auf der Straße. Für sie will niemand zuständig sein.


Mehr als 10.000 Menschen gingen Anfang November in Hamburg in Solidarität mit der Lampedusa-Gruppe auf die Straße . Die St. Pauli Kirche bietet einigen der Flüchtlinge eine Unterkunft. Anwohner spenden im Überfluss. Doch das war nicht immer so. „Am Anfang gab es keine Solidarität“, sagt Asuquo Udo, Sprecher der Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg. Im Gegenteil, es gab viel Kritik. „Wir wurden Soldaten, Rebellen, Söldner genannt“, erzählt er. In Hamburg zählt die Gruppe über 250 Personen.

Gefordert wird ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis für die gesamte Gruppe. Der Hamburger Senat „sieht keine Möglichkeit, dieser Forderung nachzukommen“, heißt es in einer Stellungnahme.

„Ich will keine Hilfe, ich kann mir selbst helfen“

Die Situation auf Hamburgs Straßen ist hart. Mit einem Info-Zelt auf dem Steindamm unweit des Hauptbahnhofs wollen die Flüchtlinge auf ihre Lage aufmerksam machen. Es ist kalt, windig. In Grüppchen stehen sie vor dem Zelt und versuchen sich die Zeit zu vertreiben. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, sie dürfen nicht arbeiten. Die Lage ist angespannt, sie sind gereizt. „Wir wollen nicht reden, wir haben Hunger“, sagt einer von ihnen.

„Ich will keine Hilfe, ich kann mir selbst helfen“, sagt ein Sprecher der Gruppe, Asuquo Udo. In Nigeria, dem Land aus dem er ursprünglich stammt, war er Journalist. Dabei könne er so viel zur Gesellschaft beitragen, wenn ihm nur die Chance gegeben würde. „Integriert sind wir schon längst. Wir leben mit den Deutschen friedlich zusammen“, erzählt er. Eine Einzelfallprüfung – auch wenn einige diese Möglichkeit nun nutzen – ist für ihn nicht annehmbar. Die in Italien ausgestellten Papiere abzugeben, würde bedeuten, dass sie sich in einen bürokratischen Prozess begeben, bei dem sie keinerlei Sicherheit haben, es gibt keine Garantie auf Asyl.

„Damit wird unser Leid nur verlängert“

Jedem Flüchtling, der sich bei der Ausländerbehörde meldet, wird eine Duldung zugesichert, bis eine Entscheidung getroffen wird. Was in der Presse zunächst als Kompromiss bezeichnet wurde, ist gar keiner, sagt der Senat. Es gibt „die Zusicherung der Selbstverständlichkeit, dass es – wenn sich Flüchtlinge bei den Behörden melden – das übliche, rechtsstaatliche Verfahren gibt und dass während das Verfahren läuft nicht abgeschoben wird (…) Zur Wahrheit gehört aber auch: Was jetzt passiert, hat die Stadt lange vergeblich angeboten“, erklärt Senatssprecher Christoph Holstein.


„Damit wird unser Leid nur verlängert“, so Udo. Die meisten von ihnen waren Arbeitsmigranten in Libyen. Mit dem Beginn des NATO-Krieges wurde vielen Schwarzafrikanern vorgeworfen, Söldner für das Gaddafi-Regime gewesen zu sein. Dass es sich hierbei um eine Propagandalüge handelt, hat Amnesty International bereits 2011berichtet.

Durch das EU-Programm „Notstand Afrika“ konnten sie nach ihrer Flucht in Italien bis 2012 in Lagern oder anderen Unterkünften versorgt werden. Mit dem Ende des Programms mussten sie weiterziehen, denn die italienische Flüchtlingspolitik sieht keine weitere Versorgung vor. So wurden sie zum Spielball der Politik. Nach EU-Verordnung dürfen sie nur in ihrem Einreiseland Asyl beantragen.

„Betonhafte Haltung“ der Politiker

Dabei hätte der Hamburger Senat eigentlich Spielraum, meint Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl. Den Flüchtlingen könnte aus „humanitären Gründen“ der Aufenthalt gewährt werden. Die verfahrene Situation in Hamburg gehe auf die „betonhafte Haltung“ der Politiker zurück. Statt die Lage der Betroffenen objektiv zu betrachten, werde eine falsche Prinzipienfrage daraus gemacht. „Der alte Abwehrgedanke“ komme wieder durch. Die Abschottung nach außen werde in den Vordergrund gestellt.

Sie spielen mit uns“, meint Udo. Dabei geht es ihm nicht nur um die Lampedusa-Flüchtlinge. Er ist sich der Tragweite seiner Forderungen bewusst: „Wir haben den Menschen die Augen geöffnet“. Mit der Protestaktion sei nun vielen bewusst, wie menschenunwürdig die derzeitige Asylpolitik sei. Für den Winter wurden Container aufgestellt, auch auf den Geländen von Kirchengemeinden. Doch eine endgültige Lösung ist nicht in Sicht. Trotz allem blickt Udo positiv in die Zukunft: „Es kann nur besser werden, wir haben nichts mehr zu verlieren“.

Demonstrationen für Flüchtlinge gehen weiter

Erst in der vergangenen Woche haben sich die Flüchtlinge mit einem Offenen Brief an die Nordkirche und die christlichen Gemeinden gewandt. Neben großer Dankbarkeit gab es darin aber auch Kritik für die evangelische Kirche. Indem man die Forderung des Senats auf Registrierung nachgegeben habe, hätte man sich dem Druck der Behörden gebeugt. Rund 70 der Flüchtlinge sollen den Ausländerbehörden bereits namentlich bekannt sein.

Mittlerweile wurde bekannt, dass drei Männer abgeschoben worden sind. Einem vierten steht dieser Gang bevor.