Im Mai kündigte das höchste türkische Berufungsgericht an, das Urteil gegen die türkische Menschenrechts-Aktivistin Pınar Selek zu verschieben. Nun haben die Richter die lebenslange Freiheitsstrafe ausgesetzt. Derzeit befindet sich die Autorin in Frankreich.


Die Entscheidung des früheren Gerichts hatte eine Kontroverse entfacht. Gutachter hatten herausgefunden, dass die Explosion aus einer defekten Gasleitung stammt. Bei der Explosion kamen sieben Menschen ums Leben. Zweieinhalb Jahre saß die Publizistin im Gefängnis.

Der Schein der Rechtsstaatlichkeit

Nach zweimaligen Anklagen wurde Selek 2002 und 2006 freigesprochen. 2010 wurde der Fall neu aufgerollt. Der Staatsanwalt forderte eine lebenslange Haftstrafe. Nachdem sie 2011 erneut freigesprochen wurde, setzte ein höheres Gericht den Freispruch wieder außer Kraft.

2013 wurde die Frauenrechtlerin in Abwesenheit durch ein türkisches Gericht erneut verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, Mitglied der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein.

Freispruch des obersten Berufungsgerichts

Zunächst verschob das Gericht den Urteilsspruch auf den Juni 2014. Das Urteil wurde außer Kraft gesetzt. Das hohe Gericht begründete die Aussetzung der letzten Verurteilung damit, dass sich lokale Gerichte ohne Einspruch des Oberstaatsanwalts nicht gegen höhere Gerichte „widersetzen“ könnten.

Seleks Anwälte sagten aus, dass die Gerichtsentscheidungen illegal zustande gekommen seien. Das gerichtliche Verfahren habe gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz ne bis in idem verstoßen – Verbot der Doppelbestrafung wegen demselben Delikt. Nach der letzten Verurteilung soll es sogar zu einer Dreifachbestrafung gekommen sein.

Der Fall „Pınar Selek“ entwickelte sich über die letzten Jahre zum Politikum. Politiker aus Deutschland forderten den rechtskräftigen Freispruch. Die Türkei verlangte von Frankreich die Auslieferung der Türkin.

Bis zum Schluss kämpfte Selek für einen Freispruch. Das Verfahren gegen sie findet nach nunmehr 16 Jahren einen endgültigen Abschluss.