Zum 103. Mal jährt sich am Samstag der Internationale Frauentag. Wir könnten meinen, wir hätten in den vergangenen Jahren viel erreicht: Frauen leben ihr Leben selbstbewusster und unabhängiger als noch vor Jahren. Doch leider erleben wir gerade einen Krebsgang in der Geschlechtergerechtigkeit.


Deutschland gehört in Sachen Gleichstellung im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Frauen verdienen bei gleicher Qualifikation und trotz besserer Ausbildung 22 Prozent weniger als Männer. Nur ein (1!) Prozent Frauen sind in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen.

Bundesweit ist nur ein Sechstel der Professoren weiblich, obwohl die Hälfte der Hochschulabsolventen und Promovenden Frauen sind. Sie leben öfter als Männer in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Frauen werden nach wie vor bevormundet, etwa beim Beratungszwang vor Schwangerschaftsunterbrechungen und durch das Festhalten an der Rezeptpflicht für die »Pille danach«. Und vergessen wir nicht das Betreuungsgeld, mit dem Frauen an die Familie gebunden und vom Erwerbsleben abgehalten werden.

Noch dramatischer ist die Situation der Frauen mit Migrationshintergrund, denn sie sind mehrfach benachteiligt. Sie sind meist prekär beschäftigt. Viele Migrantinnen gehen Zeitarbeitsverhältnissen, befristeten und geringfügigen Beschäftigungen sowie ungewollter Teilzeitarbeit nach. Generell ist die Arbeitslosenquote von Migrantinnen mehr als doppelt so hoch wie im bundesdeutschen Gesamtdurchschnitt. Migrantinnen sind im besonderen Maße von Rassismus betroffen und zwar in mehrfacher Form.

Sie trifft ein struktureller und institutioneller Rassismus. Das bedeutet, sie sind oft bei der Ausbildungs- und Jobsuche, bei der Wohnungssuche und von Seiten staatlicher Institutionen benachteiligt. Migrantinnen trifft außerdem ein Alltagsrassismus, der auf Vorurteilen basiert. Und sie erfahren die Benachteiligung als Frau, weil sie häufig in archaischen und patriarchalen Strukturen gefangen sind.

Die Bundesregierung tut so gut wie nichts gegen die Geschlechterungerechtigkeit. Scheinbar genügt es ihr, darauf zu verweisen, dass mit Angela Merkel eine Frau im Kanzleramt das Sagen hat. Wenn das nicht reicht, deutet man auf die desaströse Situation von Frauen in Konfliktgebieten wie zum Beispiel Afghanistan. Ganz nach dem Motto: »So schlecht geht es uns doch nicht!«

Die Wurzeln der Geschlechterungleichheit liegen im Kapitalismus. Frauen werden in diesem System doppelt ausgebeutet: im Job und zu Hause. Die gesellschaftlich notwendige Sorgearbeit wird immer noch meist von Frauen geleistet – und zwar ohne Bezahlung. Die Rollenteilung von Mann als Ernährer und Frau als Hausfrau hält sich hartnäckig.

Zementiert wurde dies durch die von Rot-Grün beschlossenen Hartz-Gesetze, die durch das Modell der »Bedarfsgemeinschaften« zumeist Frauen ökonomisch an ihren Mann ketten. Ohne den versorgenden Mann hat die Frau dabei kein Einkommen und ebenfalls keinen Rentenanspruch. Das Problem der Altersarmut trifft besonders Frauen.

Der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit ist demnach auch ein Kampf gegen die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems. Die Kommunistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin formulierte das wie folgt: »Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital.Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeit in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen.« Der Kampf für die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen und die damit verbundene Forderung nach gleichen Löhnen für gleiche Arbeit ist immer noch aktuell. Deshalb bleibt der 8. März bei allem Feiern ein Kampftag.

Wir Frauen bitten um keine Geschenke! Wir Frauen fordern, was uns zusteht: Die Hälfte von allem – die volle Gleichberechtigung!

Evrim Sommer, geboren 1971 in der Türkei, ist stellvertretende Vorsitzende des Bezirksverbandes der Linken Berlin-Lichtenberg. Sie setzt sich für die Rechte von Frauen und Migranten ein.