Parlamentswahlen am 7. Juni. Die HDP hofft auf Überspringen der Zehnprozenthürde.

Die islamisch-konservative AKP folgt mit diesem Schritt dem Wunsch ihres Mitgründers Recep Tayyip Erdoğan, der seit vergangenem August der erste direkt vom Volk gewählte Präsident ist.

Für die Verfassungsänderung benötigt die AKP eine Zweidrittelmehrheit – sie müsste bei der Wahl also 367 der 550 Sitze gewinnen. Eine 60-Prozent-Mehrheit (330 Sitze) würde ausreichen, um das Volk in einem Referendum über die Verfassungsänderung abstimmen zu lassen. Auf Unterstützung anderer Abgeordneten kann die AKP nach derzeitigem Stand nicht rechnen: Keine andere der wichtigen Parteien unterstützt die Forderung nach Einführung eines Präsidialsystems.

Bei der Wahl 2011 kam die AKP mit 49,8 Prozent auf 327 Sitze. Die »Halklarin Demokratik Partisi« (Demokratische Partei der Völker) HDP könnte diesmal allerdings dafür sorgen, dass die AKP sogar die absolute Mehrheit von 276 Sitzen verfehlt: Nämlich dann, wenn die HDP die Zehnprozenthürde überwinden und damit erstmals als Partei ins Parlament einziehen würde. Bei der Wahl 2011 waren die heutigen HDP-Abgeordneten wegen der nach internationalen Maßstäben sehr hohen Hürde als unabhängige Kandidaten angetreten.

Ein Präsidialsystem in der Türkei? Das kommt für die meisten Bürger des Landes eigentlich nicht infrage. Würde es allerdings dennoch dazu kommen, wären viele dazu bereit, offenbar den Weg des geringeren Übels und mit dem bisherigen Premier Recep Tayyip Erdoğan zu gehen. Zu diesem Ergebnis kam bereits 2013 eine Umfrage der Kadir Has Universität.

Die Hochschule befragte unter dem Titel „Soziale und politische Trends in der Türkei“ 1000 Personen in 26 türkischen Provinzen. Die Mehrheit unter ihnen, nämlich ganze 65.8 Prozent, gaben an, dass sie im Rahmen der neuen türkischen Verfassung die Aufrechterhaltung eines parlamentarischen Systems favorisieren.

Gut 34,3 Prozent der Befragten möchten Erdoğan, der in letzter Zeit keinen Hehl daraus gemacht hat, dass er gerne türkisches Staatsoberhaupt mit erweiterten Befugnissen wäre, an der Spitze eines solchen Systems sehen. Zwölf Prozent der Umfrageteilnehmer bevorzugten hingegen den Chef der Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, als möglichen neuen Präsidenten. Für den aktuellen türkischen Präsidenten Abdullah Gül sprachen sich nur 10.7 Prozent aus. 31 Prozent wollten sich zu diesem Thema allerdings gar nicht äußern.

Auch der Oppositions-Politiker der CHP, Kamer Genç, warnte bereits 2013: Wenn die Türkei ein Präsidialsystem bekommt und Erdoğan Präsident wird, dann wird er sein wahres Gesicht in aller Offenheit zeigen. Erdoğan möchte unkontrolliert regieren. Wenn es soweit ist, dann kann ihn niemand mehr aufhalten. (DTN)