Angekündigt wurde das Vorhaben vom Leiter des türkischen Amtes für Religiöse Angelegenheiten, Mehmet Görmez. Die Maßnahme ist offenbar bereits im vollen Gange. Seiner Ansicht nach könnten Moscheen und Universitäten schon rein aus historischer Perspektive nicht voneinander getrennt werden.

„Moschee-Bauten sind an mehr als 80 Universitäten in der Türkei im Gange. Wir haben bisher 15 Moscheen eröffnet. Bis Ende 2015 werden wir 50 eröffnen“, zitiert die türkische Zeitung Hürriyet den Diyanet-Chef. Die Intention für diese umfassende Maßnahme liegt für Görmez auf der Hand: „Es gibt rund 20 Millionen junge Menschen in der Türkei. Wir wollen diese junge Bevölkerung erreichen.“ Man lege Wert auf Moscheen in den Universitäten, wo religiöse Kleriker mit jungen Menschen kommunizieren.

Man wolle nicht nur, dass junge Menschen Zugang zu Moscheen hätten, sondern wolle auch etwas für ihre spirituelle Entwicklung tun. Diese sollten deshalb nicht als reine Orte des Gebetes fungieren, sondern „institutionalisiert“ werden. „Diese Moscheen sollen keine Orte sein, die vor dem Gebet öffnen und sich nach dem Gebet schließen“, so Görmez.

Im April dieses Jahres machte die Diyanet Schlagzeilen, als sie eine Moschee auf dem Campus der Erzurum Atatürk Universität in der osttürkischen Provinz Erzurum eröffnete. Während der Eröffnungszeremonie kündigte Görmez bereits an, dass die Diyanet in Pionier-Manier diesen Weg fortsetzen wolle. Orte der Anbetung und Universitäten wären in der Historie immer zusammengewesen, so Görmez damals. Universitäten seien aus Tempeln entstanden. Man könne beide nicht trennen.

Bereits am 17. September kündigte Professor Dr. Durmuş Boztuğ, Rektor der Tunceli Universität, an, dass seine Hochschule sowohl eine Moschee als auch ein Cemhaus, also ein alevitisches Gotteshaus, auf ihrem Campus errichte. Es soll das erste Cemhaus auf dem Campusgelände einer Universität sein. Ziel und die Mission sei die Entwicklung einer gemeinsamen Lebenskultur zwischen Aleviten und Sunniten. Durch dieses Beispiel könne die Türkei den islamischen Ländern im Nahen Osten ein Vorbild sein und einen Beitrag zur Beendigung des Streits zwischen Sunniten und Schiiten leisten, so der Hochschulrektor.

Erst Mitte November zeigte sich erneut, in welche Richtung die Türkei künftig offenbar marschiert. Denn türkische Sechstklässler finden in ihren Schulbüchern neuerdings niedliche Tiere statt menschliche Genitalien. Aufgefallen war die Überarbeitung bei einem Vergleich neuer und alter Bücher. Der Schritt sorgte für neuen Zündstoff in der Diskussion um zunehmende Eingriffe der türkischen Regierung, Zensur und verstärkte konservative Tendenzen im Land.

Wenig zuvor sorgte die Entscheidung der türkischen Streitkräfte (TAF) für Diskussionsstoff, ihren Kadetten das Ansehen der HBO-Serie „Game of the Thrones“ zu untersagen, für Aufruhr. Der Schritt ist Teil einer neuen Ausrichtung. Die Auszubildenden sollen von allem ferngehalten werden, was mit „sexueller Ausbeutung, Pornographie, Exhibitionismus, Missbrauch, Belästigung und negativen Verhaltensweisen“ zu tun hat.

Auch beim Rauchen, beim Alkoholkonsum oder gar bei der Unterbringung von Studenten in Wohnheimen mischte und mischt sich die türkische Regierung ein. Ein Umstand, der die Gesellschaft des Landes offenbar tief spaltet. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung ist gegen eine Einmischung des Staates in private Angelegenheiten. Das hat eine Umfrage des in Ankara ansässigen Forschungsinstituts MetroPOLL im Jahr 2013 ergeben.