Die Menschen in der Türkei haben mit einer äußerst knappen Stimmen-mehrheit von ca. 51,4 Prozent für das Präsidialsystem gestimmt, das dem Staatschef Recep Tayyip Erdogan mehr Macht verschafft. Die Nein-Stimmen erreichen etwa 48,6 Prozent.

Auch im Ausland durften die Türken über die neue Verfassung abstimmen. In Deutschland sagte eine große Mehrheit der Wahlberechtigten "Ja" zu den Plänen von Präsident Erdogan. Aus anderen Ländern, in denen auch Türken leben, kam ein klares Nein

Von den in der BRD zu Wahl gegangenen Türken bzw. wahlberechtigten Deutschtürken haben 63,2 Prozent für das Präsidialsystem gestimmt. Die Nein-Stimmen betragen nur 36,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt bei 46,6 Prozent.

Gleich nach der Feststellung des Referendumergebnisse kam eine erste Reaktion vom Europarat. Der EU-Beitritt der Türkei wurde für gescheitert erklärt. Das ist ein schädlicher Umstand für das Land Türkei und für die in Europa lebenden türkischen und kurdischen EinwandererInnen. 

Die Wahlveranstaltungen vor dem Referendum und die hupenden Autokorsos mit den den Wahlsieg Feiernden auf deutschen Straßen nach dem Referendum haben wieder mal gezeigt, dass sich viele Türken, Kurden, egal ob jung oder alt, in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern sich mit der AKP-Politik identifizieren. Dass das bei vielen Jugendlichen der Fall ist, ist schwer nachvollziehbar. Obwohl sie hier in der BRD und in Europa geboren, ihre schulische und berufliche Laufbahn eingeschlagen und damit ihren

Lebensmittelpunkt in demokratischen Verhältnissen mit allen von der Verfassung und von den Menschenrechten eingeräumten Rechten haben, stimmten sie für ein diktatorisches System bzw., diejenigen, die nicht wählen dürfen, sympathiesieren mit diesem System. Warum?   

Die Erklärung ist darin zu suchen, dass die türkischen und kurdischen jungen MigrantenInnen hier in Deutschland – und auch in anderen europäischen Ländern - in der Schule, bei der Berufausbildung, auf der Arbeit, bei der Wohnungssuche etc. diskriminiert werden. Sie fühlen sich in allen Lebensbereichen in dieser Gesellschaft als Opfer. Als eine solche „Opfergeneration“ versuchen sie die AKP-Regierung zu unterstützen, die den Europäern, also diejenigen, die sie zu Opfern gemacht haben oder machen, die Stirn bietet.  Man könnte damit ihr Verhalten als Protest gegen die deutschen Parteien auslegen, die diese jungen Menschen in die hiesige Gesellschaft nicht aufgenommen haben, ihnen keinen Platz dort gegeben haben, ihnen keine aktiven und passiven Wahlrechte eingeräumt haben.

Die CDU , CSU und andere konservative Parteien haben jahrelang eine Einwanderungspolitik ohne die MigrantenInnen gemacht.  Eigentlich ist das mit der heutigen AfD-Einwanderungspolitik bzw. mit dem AfD–Einwanderungspopulismus vergleichbar. Die CDU und und die CSU  waren jahrelang gegen die Doppelstaatsbürgerschaft, bis sie mit der SPD koaliert haben. Jahrelang hatten sie aber dagegen argumentiert.

Die Verhaltensweisen der Deutschtürken während des türkischen Referendumwahlkampfes reicht für sie als Grund dafür aus, dass die Doppelstaatsangehörigkeit doch wieder abgeschafft werden soll. Die Deutschtürken hätten sich hier nicht integriert. Die konservativen Parteien fragen sich selbst aber nicht, was haben wir falsch gemacht, dass der türkische Wahlkampf auf Deutschem Boden in dieser Intensität stattgefunden hat und dass die AKP so viele Türken und Deutschtürken mobilisieren konnte.

Die Abschafftung der doppelten Staatsbürgerschaft kann keine Lösung sein. Das muss erst einmal allen Parteien klar werden. Man muss bedenken, dass die EinwandererInnen allenfalls nur ein rechtloser Bestandteil der hiesigen Gesellschaft sind. Sie leben hier mittlerweile in der dritten und vierten Generation und haben seit ca. 60 Jahren keine demokratischen Rechte. Hätten sie aktive und passive Wahlrechte gehabt, so hätten sie sich mit den hier bestehenden Parteien und demokratischen Systemen identifizieren und sich in die freiheitlich-demokratische Entwicklung der Gesellschaft einbringen können. Da das nach wie vor nicht möglich ist, rennen sie reihenweise zur AKP, bei der sie sich vermeintlich ernst und wahrgenommen fühlen.

Die AKP-Regierung kennt diese Probleme der in Deutschland und in Europa lebenden türkischen Bevölkerung und organisiert sie in der eigenen Partei, in dem sie ihnen Versprechen gibt, die für die deutschen und europäischen Politiker undemokratisch sind wie z. B. die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die deutschen und europäischen Politiker werden durch die Propagandisten der AKP als Nationalisten, Faschisten und Nazis beschimpft. Wie oben bereits beschrieben, die als sog. „Opfergeneration“ genannten EinwandererInnen, die jahrzehntelang Diskriminerungen ausgestzt sind, fühlen sich durch diese Aussagen bestätigt. Sie denken, dass endlich jemand alles beim „Namen“ nennt, was ihnen seit Jahren wiederfährt.

Die AKP-Regierung und –Partei hat zwischen den türkischen und kurdischen EinwandererInnen eine tiefe Spaltung während des Referendumwahlkampfes verursacht und diejenigen, die nicht für sie ist, für Feindbilder erklärt. Das alles wurde durch die mutmaßlichen Tätigkeiten des türksichen Geheim-dienstes MIT in Deutschland, dass hier in Deutschland lebende Türken und Kurden ausspioniert worden sein sollen – die Ermittlungen durch die deutschen Sicherheitsbehörden dauern noch – die nicht mit der AKP meinungskonform sind, noch verschärft.

Das alles zeigt, dass alle Menschen, die als EinwandererInnen in die BRD kommen,  hier rechtmäßig aufgenommen werden und sich in die hiesige Gesellschaft einbringen wollen, sehr zeitnah auch politische Rechte wie das aktive und passive Wahlrecht bekommen müssen. Sie müssen hier nicht nur Steuern zahlen und zur fianziellen und sicherheitspolitischen Entwicklung Deutschlands beitragen, ohne dass sie an den Rechten partizipieren dürfen. Denn diese bisherige Einwanderungspolitik passt zum Motto „wasch mir den Pelz, mach mich aber nicht nass“ an.  Wie lange kann dieses Lebensmotto gutgehen?  

Eine Lösung kann nur darin liegen, dass EinwandererInnen zeitnahm nach ihrer Aufnahme in der BRD gleichberechtigte Rechte erhalten, so dass sie die hiesige Gesellschaft mitgestalten und zu ihrer Entwicklung beitragen können. Auch müssen alle Diskriminierungen in der schulischen und beruflichen Ausbildung, bei der Arbeitsplatzsuche, bei der Wohnungssuche etc. abgeschafft werden. In anderen Ländern wie Kanada klappt das sehr gut. Für ein friedliches und gewinnbringendes Zusammenleben aller Menschen in Deutschland ist nötig, dass alle gleichberechtigte Rechte genießen. Die Politik muss und kann sich nur in diese Richtung korrigieren.