Die Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer (TD-IHK) setzte kürzlich ihre Veranstaltungsreihe „der Runde Tisch“ fort und lud dazu Vertreter aus Industrie und Medien ein. Im Gebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin wurde nicht nur über die ungleiche Behandlung von Einwanderern gesprochen, auch der Umgang mit den hier lebenden Deutsch-Türken und mit Flüchtlingen wurden thematisiert. Es gab einen eindeutigen Konsens: Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind einmalig und bieten viel Platz nach oben.

Willkommenskultur wichtig für die Wirtschaft



„Investitionen brauchen Willkommenskultur“, sagt Tamer Ergün Yikici, Vorstandsmitglied der TD-IHK und Geschäftsführer des deutsch-türkischen Senders Radyo Metropol FM. Bereits jetzt seien 5200 deutsche Unternehmen in der Türkei aktiv, so Yikici.



Im Jahr 2013 betrug das bilaterale Handelsvolumen 33,7 Milliarden Euro. Doch auch die Willkommenskultur ist gesellschaftlich vielschichtig. Während die Bundesregierung angestrengt versucht, junge Arbeitskräfte ins Land zu locken und diesen den Arbeitsmarktzugang erleichtert, haben es weniger gut Ausgebildete oder Migranten in Deutschland schwer. Während die einen häufig keinen Job finden, werden die anderen gerne schon an der Grenze abgewiesen. Ein Grund für die schwindende Anzahl von Fachkräften ist auch der demographische Wandel. Angeheizt wird die Diskussion nicht zuletzt auch durch Politiker. Der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte Migranten als Wirtschaftsflüchtlinge und Sozialhilfeflüchtlinge verunglimpft, berichtet das Wallstreet Journal. Von solchen Ängste würde sich auch die AfD ernähren, stellte Yikici fest.

Integrationsdebatte profitiert nicht von Willkommenskultur

„Die Integrationsdebatte und die Werbung von Fachkräften verlaufen getrennt“, sagt Prof. Dr. Roland Roth. Der Integrationsforscher stellte fest, dass die beschworene Willkommenskultur der deutschen Behörden besonders der Werbung von Fachkräften diene, aber bei der Integrationsdebatte nicht anzutreffen sei. Man könne in Deutschland nicht von einer Willkommenskultur sprechen, da sie von Deutschen in ihrem Alltag nicht beherzigt würde, so Roth. Als Beispiele des Scheiterns nannte er den Umgang mit Flüchtlingen, die oft ungern gesehen sind oder abgeschoben werden. Aber auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt sei schwierig. „Bewerber mit Migrationshintergrund haben bei gleicher Qualifikation schlechtere Einstellungschancen“, sagt der DGB-Bundesvorstand Volker Roßocha. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) informiert, „dass allein die Angabe eines türkischen Namens ausreicht, die Chance auf ein Vorstellungsgespräch um 14 Prozent zu senken, in kleineren Unternehmen sogar um 24 Prozent“. Häufig wenden sich allein erziehende Frauen und Menschen über 50 Jahre, die wegen ihres Familienstandes oder ihres Alters benachteiligt werden, an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Die Charta der Vielfalt

Ein positives Beispiel sei die Stadt Celle, so der Gewerkschafter. Seitdem man dort die Bewerbungsverfahren anonymisiert habe und weder Bild noch Namen mehr sehen würde, wäre die Anzahl der eingestellten Zahl der Azubis auf ungefähr 50 Prozent geklettert. Ein Schritt in diese Richtung ist auch die „Charta der Vielfalt”, die von vielen Bundesbehörden unterschrieben wurde. Auch die Berliner Polizei sucht händeringend nach Mitarbeitern mit Migartionshintergrund.

Wie schwierig es um die Willkommenskultur in Deutschland steht, zeige auch der Fakt, dass es nur in drei Bundesländern Stellen gäbe, bei denen man Diskriminierung melden könne, so der Wissenschaftler Roth. Dazu gehören Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Als positives Beispiel von Willkommenskultur nannte er auch den Landkreis Hanau in Hessen, hier habe man sich in der Vergangenheit für Migranten und Asylsuchende außerordentlich engagiert.