taz: Herr Yigit, vor genau 29 Jahren starb Ramazan Avci. Neonazis hatten den Türken am S-Bahnhof Landwehr zu Tode geprügelt. Heute gedenken Sie dem Tode Avcis, das türkische Konsulat wollen Se aber nicht dabei haben. Warum?

Adil Yigit: Als nach Ramazans Tod 15.000 Menschen in Hamburg gegen Rassismus demonstrierten, war kein Vertreter des Konsulats dabei. Jetzt nutzen Diplomaten den Fall, um eine "Show" zu machen - wir wollen aber keine Plattform für politische Selbstdarstellung bieten, sondern mit Familien und Freunden im Stillen gedenken.

Warum ist die Erinnerung an Ramazan Avci so wichtig?


Weil es in Deutschland immer noch rassistische Gewalt gibt. Nun demonstrieren Zehntausende bei den Pegida-Demonstrationen gegen Ausländer - diese Entwicklung ist gefährlich, sie zeigt, dass der Rassismus in diesem Land immer noch tief verankert ist. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen.

Hat sich die Stimmung gegenüber Migranten seit 1985 verbessert?

Das Zusammenleben der Kulturen ist heute zwar selbstverständlicher, viele Einwandererfamilien leben hier in zweiter oder dritter Generation, sind gut integriert. Doch gerade in wirtschaftlich schwachen Gegenden werden rassistische Tendenzen wieder stärker.

Wie erleben Sie persönlich heute Alltagsrassismus?

Nach Ramazans Tod hatte ich große Angst, wollte das Land verlassen. Heute fühle ich mich in Hamburg wohl - die Toleranz ist größer, die Politik bemüht sich um Verständigung. Trotzdem sind Anfeindungen normal, Sätze wie "Du gehörst hier nicht her!" höre ich oft. Auf einer Demonstration wurde ich kürzlich von Neonazis bedroht, konnte gerade noch weglaufen. Die Polizei hat zugeschaut und nichts getan.

Die Mörder von Ramazan Avci wurden wegen Totschlags zu Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren verurteilt. Ist das gerecht?

Nein, Gerechtigkeit sieht anders aus. Wir brauchen härtere Strafen, um zu zeigen, dass Rassismus in diesem Land nicht geduldet wird. Damals sahen Politik und Polizei keinen rassistischen Zusammenhang, das ist lächerlich. Heute ist das Bewusstsein zwar größer, doch immer noch sind viele Behörden auf dem rechten Auge blind - wie die Ermittlungen zu den NSU-Morden zeigen.  INTERVIEW: NIKA

Gedenkveranstaltung für Ramazan Avci: 12 Uhr, Ramazan-Avci-Platz, S-Bahn Landwehr/ Hamburg