Andrea Nahles zu  

Kredit- und Medien-Affäre







Morgenpost Online:
Frau Nahles, wie gut kennen Sie Ihren Chef?

Andrea Nahles: Wir sind uns in den mehr als zwei Jahren der Zusammenarbeit vertraut geworden und kennen unsere Stärken und Schwächen.

Morgenpost Online: Was zeichnet Sigmar Gabriel aus?

Andrea Nahles: Er hat einen wahnsinnig guten politischen Instinkt und kann treffsicher zuspitzen. Er hat die SPD, die nach der letzten Bundestagswahl in einer – man kann schon sagen – Depression war, zu neuem Selbstbewusstsein geführt.

Morgenpost Online: Wann sind Sie zuletzt von Gabriel überrascht worden?

Morgenpost Online: Erklären Sie uns, warum ein neuer Bundestag gewählt werden sollte, wenn der Bundespräsident sein Amt aufgibt.
Andrea Nahles: Vorletzte Woche. Da wollte er mich kurzfristig in seiner Heimatstadt Goslar sprechen.

Morgenpost Online: Sie hatten Neuwahlen verlangt, falls der Bundespräsident zurücktritt – und wurden von Gabriel zurückgepfiffen.

Andrea Nahles: Das war keine Meisterleistung im Synchronschwimmen. Aber so was kann vorkommen. Die Sache ist für uns erledigt.

Andrea Nahles: Neuwahlen sind nicht das Ziel der SPD. Uns kommt es darauf an, dass vonseiten des Bundespräsidenten endlich die Aufklärung erfolgt, die diesen Namen verdient. Aber sollte es zu einem zweiten Rücktritt eines Bundespräsidenten innerhalb von zwei Jahren kommen, wäre dies auch eine äußerst schwierige Situation für diese Koalition, die ihn ins Amt gehievt hat. Mit der SPD gibt es jedenfalls keinen Automatismus in eine große Koalition.

Morgenpost Online: Muss Christian Wulff zurücktreten – oder kann er bleiben?

Andrea Nahles: Diese Entscheidung trifft Christian Wulff alleine. Seine Verzögerungstaktik aber ist nicht länger hinzunehmen. Juristisch gibt es nach meinen Informationen keine wirklichen Hinderungsgründe, alle Fragen unverzüglich öffentlich zu beantworten. Der Eindruck verstärkt sich, dass dieser Bundespräsident ein unsauberes Verhältnis zur Wahrheit hat. Sein Versprechen vor elf Millionen Fernsehzuschauern, er werde vollständige Transparenz herstellen, hat er wenig später gebrochen. Auffällig ist allerdings, dass er den Rückhalt seiner eigenen Partei verliert. Herr Wulff sollte selbstkritisch eine Neubewertung seiner Präsidentschaft vornehmen. Und Frau Merkel, die ihn auf den Schild gehoben hat, muss sich fragen, wie lange Christian Wulff im höchsten Staatsamt noch tragbar ist.

Morgenpost Online: Was richtet den größeren Schaden an: Amtsverzicht oder Amtsverbleib?

Andrea Nahles: Die vergangenen Wochen haben dem Amt des Bundespräsidenten massiv geschadet. Christian Wulff hat es in der Hand, diese Agonie zu beenden.

Morgenpost Online: Welche Persönlichkeit wäre geeignet, dem Amt nach Köhler und Wulff zu neuem Ansehen zu verhelfen?

Andrea Nahles: Unser Angebot an die Kanzlerin, einen überparteilichen Kandidaten aufzustellen, ist ernst gemeint. Es müsste ein Mensch sein, der durch eigene Leistung zum Vorbild geworden ist. Das schließt die Mitgliedschaft in einer Partei nicht aus.

Morgenpost Online: Würden Sie auch einen CDU-Politiker unterstützen? Thomas de Maizière?

Andrea Nahles: Jede demokratische Partei kann den Bundespräsidenten stellen. Voraussetzung gerade jetzt ist, dass nach diesem Bundespräsidenten eine Person das Amt übernimmt, die als überparteilich wahrgenommen wird. Wann immer das auch sein wird.

Morgenpost Online: 2013 ist Bundestagswahl. Wer führt den Wahlkampf der SPD?

Andrea Nahles: Diese Frage stellt sich überhaupt nicht. Es gibt einen Parteivorsitzenden und eine Generalsekretärin, und an der einvernehmlichen Aufgabenverteilung wird nichts geändert. Wenn überhaupt, wird über die Personalaufstellung der SPD für die Bundestagswahl noch einmal zu reden sein, wenn der Kanzlerkandidat feststeht. Ihm steht es natürlich frei, einen Vertrauten in das Willy-Brandt-Haus zu integrieren. Das war noch nie anders.

Morgenpost Online: Es gab Berichte über Ihre Entmachtung.

Andrea Nahles: Davon kann keine Rede sein.

Morgenpost Online: Peer Steinbrück will Kanzlerkandidat werden. Wie gut passt er zum SPD-Programm?

Andrea Nahles: Das müssen Sie Peer Steinbrück fragen. Er wird sich seinen Vorstoß gut überlegt haben. Er hat mit seiner Meinung nie hinterm Berg gehalten, und das schätzen auch viele an ihm.

Morgenpost Online: Eine gute Generalsekretärin spürt, ob es ihren Parteichef ins Kanzleramt drängt. Will Sigmar Gabriel gegen Angela Merkel antreten?

Andrea Nahles: Eine gute Generalsekretärin beschäftigt sich von morgens bis abends mit der Frage, wie die Partei den Kanzlerkandidaten tragen kann, den sie am Ende auf den Schild hebt. Ob wir die nächste Bundestagswahl gewinnen, hängt neben dem Kandidaten vor allem von der Organisation und der Motivation einer Partei mit 500.000 Mitgliedern ab. Das ist mein Job.

Morgenpost Online: In Ihrer Abiturzeitung haben Sie als Berufswunsch eingetragen: Hausfrau oder Kanzlerin. Gilt das noch?

Andrea Nahles: Da war ich 18. Das war damals ein guter Spruch.