Die im Bund schwer angeschlagene FDP mit ihrem Hoffnungsträger Christian Lindner kann zum ersten Mal seit über einem Jahr bei einer Wahl ein Plus verbuchen. Sie zieht gestärkt in den NRW-Landtag ein. Die Piraten schaffen es zum vierten Mal in Folge, in ein Landesparlament zu kommen. Die Linke ist raus.

Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland mit 13,2 Millionen Wahlberechtigten ist dieses Jahr das wichtigste Signal vor der Bundestagswahl im Herbst 2013. Der Aufwind für die rot-grüne Opposition bei der „kleinen Bundestagswahl“ dürfte es Kanzlerin Merkel und ihrer schwarz-gelben Koalition noch schwerer machen - auch wenn sich im Bundesrat praktisch nichts ändert.

Kanzlerkandidatin?

Kraft sagte: „Das ist ein klares Signal nach Berlin.“ Prompt gab es Stimmen, die Kraft als Kanzlerkandidatin ins Spiel brachten. Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schloss das nicht aus: „Selbstverständlich, bei einem so überzeugenden Ergebnis gehört eine Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes zu denen, die für eine solche Kandidatur infrage kämen“, sagte Gabriel am Sonntag. Er fügte hinzu: „Aber sie hat es ausgeschlossen.“

Kraft selbst zerstreute die Gedankenspiele einmal mehr: „Ich widerstehe da, weil ich auch hier mein Wort gegeben habe, dass ich hierbleibe. Das ist das eine. Das zweite ist aber noch wichtiger. Ich möchte gern diese Politik der Vorbeugung hier in Nordrhein-Westfalen umsetzen. Das ist wichtig für ganz Deutschland“, sagte Kraft am Sonntagabend in Düsseldorf.

Hochrechnungen

Nach weit fortgeschrittenen Hochrechnungen von ARD und ZDF vom Abend (21.45 Uhr) nähert sich die SPD in NRW mit 39,0 Prozent wieder der 40-Prozent-Marke (2010: 34,5). Die CDU fällt mit 26,3 Prozent um gut 8 Punkte und liegt deutlich unter ihrem damals schon schwächsten Ergebnis von 2010 (34,6) - es ist eines ihrer schlechtesten seit mehr als 60 Jahren in einem westdeutschen Flächenland.

Die Grünen von Vize-Regierungschefin Sylvia Löhrmann schneiden mit 11,3 bis 11,4 Prozent etwas schwächer ab als 2010 (12,1).

Das FDP-Wunder

Der FDP gelingt ein ähnlicher Coup wie eine Woche zuvor in Kiel: Die vor kurzem noch abgeschriebene Partei erringt mit 8,5 Prozent ihr zweites Erfolgserlebnis seit mehr als einem Jahr, diesmal sogar mit einer Steigerung um fast zwei Punkte (2010: 6,7).

Die kriselnde FDP hat den Erfolg vor allem ihrem erst 33-jährigen Spitzenkandidaten Lindner zu verdanken. Er riss das Ruder in einem ganz auf ihn zugeschnittenen Ein-Mann-Wahlkampf herum und machte Röttgen klassische CDU-Themen wie den Erhalt des Gymnasiums streitig.

Piraten entern Landtag

Ähnlich erfolgreich ist die noch junge Piratenpartei, die mit 7,8 bis 7,9 Prozent locker in den Landtag einzieht (2010: 1,6). Die Linke dagegen setzt ihren Abwärtstrend fort und fliegt mit 2,5 Prozent nach nur zwei Jahren wieder aus dem Parlament (2010: 5,6).

Daraus ergibt sich laut ARD-Hochrechnung (Infratest dimap) folgende Sitzverteilung mit Überhangmandaten: SPD 93, CDU 62, Grüne 27, FDP 20 und Piraten 19. Rot-Grün hätte damit eine Mehrheit von 120 Mandaten gegen die 101 Sitze der Opposition. Die Wahlbeteiligung lag in der Nähe des niedrigen Werts von 2010 (59,3 Prozent).

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Nach der Wahl 2010 hatte Rot-Grün eine Stimme zur Mehrheit von 91 Mandaten gefehlt - Kraft bildete damals im einstigen SPD-Stammland eine Minderheitsregierung. Im März scheiterte aber ihr Etat 2012 im Parlament. Darauf löste sich der Landtag erstmals in der Geschichte Nordrhein-Westfalens auf, weshalb schon jetzt gewählt werden musste.

Linken-Misserfolg

Der erneute Misserfolg der Linken dürfte dort den Machtkampf noch verschärfen. Bereits für diesen Montag wurde eine Erklärung des früheren Parteichefs Oskar Lafontaine erwartet, ob er wieder antritt. Die Wahl der Parteispitze steht im Juni an.