Die Thüringer Kommission unter Leitung des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer hat am Montag in Erfurt angekündigt, bis Ostern einen Bericht über die Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) vorlegen zu wollen. Das Gremium soll unabhängig klären, warum die Neonazis nicht gefaßt wurden. Derzeit werde umfangreiches Aktenmaterial ausgewertet, sagte Schäfer. Danach will die Kommission auch eine Reihe von Zeugen befragen, darunter den früheren Thüringer Verfassungsschutzchef Helmut Roewer.

Das Thüringer Innenministerium vermißt nach Meldungen des MDR Exemplare eines geheimen Berichtes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) aus dem Jahr 2000. Der Jurist Karl-Heinz Gasser hatte im Auftrag des damaligen Innenministers Christian Köckert die Zustände des LfV unter Roewer untersucht. Dem später suspendierten Roewer seien in Gassers Bericht schwere Fehler vorgeworfen worden.

Die Auseinandersetzung zwischen Helmut Roewer und dem Land Thüringen dauert an. Nach einem Bericht der Thüringer Allgemeinen (Internetausgabe) vom Montag will die Landesregierung einen neuen Anlauf nehmen, um den ehemaligen LfV-Chef wegen Amtspflichtverletzung und einem daraus resultierenden Schaden zu verklagen. In einem Untreueprozeß war Roewer 2010 zu einer niedrigen Geldstrafe verurteilt worden.

Roewer hat unterdessen auf seiner privaten Webseite Stellung zu Maßnahmen des LfV in seiner Amtszeit genommen. Der Geheimdienst habe damals »die Namen und die Lebensdaten von vermuteten Bekannten der Betroffenen aus deren rechtsextremistischem Umfeld« ermittelt und »verdeckte Befragungen« durchgeführt. »In Erfolg versprechenden Fällen« seien außerdem »Umfeldpersonen heimlich mit Peilsendern versehen und diese Personen technisch und durch Observation überwacht« worden.

Der Thüringer Verfassungsschutz hat eine Observation gegen Ende des Jahres 1997 bestätigt, während der sich die mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Teile für den Bombenbau beschafft haben sollen. Die Garage, in der die Verdächtigen Bomben montierten, wurde im Januar 1998 von der Polizei durchsucht. Dabei fanden die Ermittler unter anderem 1,4 Kilogramm Sprengstoff. Böhnhardt konnte sich aus bisher ungeklärten Gründen unbehelligt entfernen und einer Festnahme entziehen. Der Thüringer Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow erhob in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen das LfV. Durch die Einstufung des Observationsmaterials als »geheim« habe der Verfassungsschutz verhindert, daß diese Informationen durch die Polizei genutzt werden konnten. Deshalb hätten keine ordentlichen Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle beantragt werden können.

Für zwei inhaftierte mutmaßliche Unterstützer des NSU könnte bald die Freilassung anstehen. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung vom Montag könnte André Eminger aus Zwickau noch in dieser Woche auf freien Fuß kommen. Er wird von der Bundesanwaltschaft verdächtigt, das Bekennervideo des »NSU« erstellt zu haben. Auch Holger Gerlach, der am 13. November 2011 festgenommen wurde, kann sich demnach Hoffnung auf Freilassung machen. Gerlach kooperiert mit den Behörden, seine Taten seien entweder verjährt oder »bestenfalls als Fluchthilfe und Urkundenfälschung zu werten«, schrieb das Blatt. Der »NSU« wird bisher nicht als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Verdächtigen können deshalb auch nicht wegen der Unterstützung einer solchen belangt werden.