Premierminister Erdoğan hat am Mittwochabend seine Beileidsbekundung an die Armenier gerichtet. Er sagte, dass die Türken und Armenier in Bezug auf die Wirren des Ersten Weltkriegs ein geteiltes Leid hätten.


Sowohl Türken als auch Armenier seien bei Massakern umgekommen. Es sei eine Frage der Menschlichkeit, Anteil an der Trauer aller Opfer zu nehmen. Die Türken teilen das Leid der Armenier. Doch einen geplanten Völkermord an den Armeniern habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Damit deckt sich Erdoğans Aussage mit dem Befund des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die historischen Archive seien für jeden zugänglich.

Keine gegenseitige Rache

Hier falle den türkischen und armenischen Historikern eine besondere Rolle zu. Es sei nun an der Zeit der gegenseitigen Anteilnahme. Doch das beinhalte auch, dass Menschen in der Türkei die Völkermord-These frei äußern dürfen.

Die Armenier und Türken dürfen nicht die Vergangenheit zum Anlass nehmen, um Rache aneinander zu üben. Das darf uns nicht daran hindern, eine gefühlsmäßige Nähe aufzubauen“, zitiert die Zeitung Bugün Erdoğan.

Beim armenischen Präsidenten Sersch Sargsjan lösten jene Worte Zufriedenheit aus. Auch er beharre nach wie vor auf der Völkermord-These. Doch das sei kein Grund, um die Türken zu hassen. „
Wir sehen die Türken nicht mehr als Feinde. Des Weiteren muss erwähnt werden, dass es auch viele Türken gab, die den Armeniern geholfen haben. Wir möchten auch ihnen gedenken."

Armenische Diaspora gegen Annäherung

Doch die armenische Diaspora in den USA ist unzufrieden mit den Aussagen beider Staatsmänner. Sie beharrt auf der Alleinschuld der Türken. In einer Mitteilungschreibt die Armenian National Committee of America (ANCA):

„Ankara ist international weitgehend isoliert und hat die Leugnung des Völkermords neu verpackt.“

ANCA beharrt darauf, dass die die Türkei international „bestraft“ werden müsse.

Aus einem Wikileaks-Dokument aus dem Jahre 2009 geht hervor, dass die armenische Diaspora den Präsident Sargsjan als Verräter einstuft. Der nehme enorme Risiken auf sich, um eine Annäherung mit der Türkei voranzutreiben, schreibt die US-Botschafterin in Eriwan, Marie L. Yovanovitch. Sargsjan sei „wirklich überzeugt“, dass eine Annäherung mit der Türkei der einzige Weg sei, um die Zukunft Armeniens zu garantieren. Doch eine „massive Unterstützung“ von den USA sei wichtig für den Prozess.

USA übt Druck auf beide Seiten aus

Offenbar hat die USA in den vergangenen Jahre Druck auf die Türkei und Armenien ausgeübt. Anders ist diese Kehrtwende beider Staaten nicht zu erklären.

Jedenfalls zeigen sich die Amerikaner erfreut über die aktuelle Entwicklung. „Wir sind erfreut darüber, dass Premierminister Erdoğan das im Jahr 1915 stattgefunden Leid der Armenier historisch anerkannt hat und hoffen, dass dies den Annäherungs-Prozess zwischen Türken und Armeniern beschleunigen wird“, zitiert Reuters die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki.

Doch ohne die Einbindung des Aserbaidschan im Zusammenhang mit dem Berg-Karabach-Konflikt ist eine Lösung des Problems nur schwerlich möglich.

Aber vielleicht fällt der US-Diplomatie auch in Bezug auf dieses Problem ein Rezept ein.