Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, hat sich in die Reihe der internationalen Kritiker begeben, die sich in den vergangenen Wochen ein ums andere Mal zu den Gewalteskalationen während der türkischen Proteste geäußert haben. Obschon sich die Situation mittlerweile wieder beruhigt hat, hält er eine umfassende Aufarbeitung für unabdingbar. Nur so könnten die Differenzen letztlich überbrückt werden.



„Alle Fälle von übermäßigem Einsatz von Gewalt durch die Polizei müssen vollständig untersucht und angemessen bestraft werden“, zitiert die türkische Zeitung Hürriyet Muiznieks. Zuvor hatte sich der lettische Wissenschaftler und Politiker fünf Tage in Ankara und Istanbul aufgehalten, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Auch die beiden deutschen Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth waren bereits mitten im Geschehen.


Beschwerden wegen Menschenrechtsverletzungen


Im Zuge dessen erinnerte der Kommissar daran, dass gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass ein Scheitern wirksamer Untersuchungen des Fehlverhaltens der Sicherheitskräfte selbst eine Verletzung der Menschenrechte sei. Ohnehin sei die Türkei bereits mehrmals auf Grund derartiger Vergehen verurteilt worden .

Muiznieks hatten zuvor zahlreiche Beschwerden erreicht. Erhoben worden seien schwere Vorwürfe gegen Ordnungskräfte die Menschenrechtsverletzungen an Demonstranten begangen haben sollen. Gestützt wurden diese durch Zeugenaussagen, Fotos, Videos und forensische Beweise. Aufschluss gäben auch die Zahlen an Toten und Verletzten im Laufe der Ereignisse.


Demonstranten wie Polizisten zur Rechenschaft ziehen

Die meisten dieser Berichte äußerten sich besorgt über übermäßige und unsachgemäße Verwendung von Tränengas und Misshandlungen durch die Polizei während der Festnahmen. Auf der anderen Seite betrachteten Mitglieder der Regierung und Sicherheitskräfte den Einsatz von Gewalt im Hinblick auf die Aktionen von Randgruppen als verhältnismäßig. Abgesehen davon gäbe es einzelne Vorfälle, die bereits untersucht würden.

„Der einzige Weg, diese Lücke in der Wahrnehmung zu überbrücken und den Heilungsprozess, den die Türkei braucht, zu ermöglichen, ist eine unabhängige, unparteiische und effektive Untersuchungen unter Beteiligung der Opfer“, so der Kommissar. Angesichts der türkischen Erfolgsbilanz vor dem Gericht in Straßburg, bedürfe es allerdings eines neuartigen Ansatzes und der Entschlossenheit aller relevanten Akteure.

Natürlich, so der Kommissar weiter, müssten auch diejenigen Demonstranten, die zu Gewalt gegriffen haben, die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Das müsse die absolute Priorität eines jeden demokratischen Staates sein. Um das Vertrauen der Bürger in der Strafverfolgung zu sichern, gelte es die Kultur der Straflosigkeit zu bekämpfen.

Gezi Park wieder geöffnet

Unterdessen ist Gestern das Herzstück der türkischen Proteste, der Istanbuler Gezi Park, der Öffentlichkeit wieder (trotz neuer Festnahmen und proteste) zugänglich gemacht worden. Drei Wochen zuvor waren die Demonstranten gewaltsam aus dem Park vertrieben und eine umfangreiche Erneuerung der Anlage eingeleitet worden.