Die Europäische Kommission hat in ihrem Fortschrittsbericht 2013 eine Reihe von wichtigen Schritten zur Kenntnis genommen, die die Türkei in den vergangenen zwölf Monaten vollzogen hat. Allerdings hakt es nach wie vor an ganz wesentlichen Ecken. Abschreckend wirkt die Sitution in der Türkei aber offenbar nicht. Der Beitrittsprozess soll nun erst recht neuen Schwung bekommen.


Hervorgehoben wurden insbesondere die Verabschiedung eines vierten Justizreform-Pakets, die Ankündigung eines Demokratie-Paketes sowie der Beginn eines Prozesses, den Terrorismus und Gewalt im Südosten des Landes zu beenden und somit hoffentlich endlich auch die Kurdenfrage zu lösen. Ein derartiges Lob hatte sich schon im September abgezeichnet
.

Gleichzeitig betont der Bericht jedoch auch die dringende Notwendigkeit, eine wirklich partizipative Demokratie zu entwickeln, die alle Segmente der Gesellschaft erfasse. Nötig seien insbesondere weitere Reformen des Strafrechts und eine neue Auslegung von Seiten der türkischen Gerichte, um so die Wahrung der Grundrechte einschließlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten.

Gezi- Park-Proteste: Türkische Regierung kompromisslos

Insgesamt herrsche nach wie vor ein „polarisierendes politisches Klima“ in der Türkei. Explizit ging der Report auf die Gezi-Park-Proteste des vergangenen Sommers ein. Hier habe die türkische Regierung eine „kompromisslose Haltung“ an den Tag gelegt. Gegenüber ihren Bürgern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Unternehmen habe die Regierung in dieser Zeit einen „polarisierenden Ton“ angenommen. Nicht nur in diesen Fall hätten keine ausreichenden Begegnungen mit den Beteiligten stattgefunden. Als Beispiel nennt der Report hier auch die jüngste Alkohol-Gesetzgebung des Landes .

Positiv hervorgetan hat sich nach Ansicht der Europäischen Kommission der türkische Präsident Abdullah Gül. Er habe eine versöhnliche Rolle innerhalb des politischen Spektrums der Türkei und der Gesellschaft eingenommen. Auch während der Gezi-Park-Proteste habe er vor einer Polarisierung gewarnt und das Recht der Bürger auf friedliche Versammlungen verteidigt . Immer wieder stelle er zudem die Notwendigkeit weiterer politischer Reformen im Zusammenhang mit einem EU-Beitritt der Türkei heraus.

Thematisiert wurden auch Verletzungen der Menschenrechte während der Proteste. Diese Vorkommnisse würden die Notwendigkeit für weitreichendere Reformen im Hinblick auf die Achtung der Versammlungsfreiheit im Einklang mit europäischen Standards unterstreichen. Auch neu gegründete Institutionen zur Achtung der Menschenrechte müssten weiter an ihrer Effektivität und Unparteilichkeit arbeiten.

Nach wie vor werde Druck auf die Verteidiger von Menschenrechten ausgeübt. Es komme zu exzessiven Gewaltanwendungen, insbesondere während der Demonstrationen im vergangenen Mai und Juni. Diese Situation gebe weiterhin Grund zur Sorge. Ebenso wie die stattfindende Selbstzensur der türkischen Medien
. Auf der anderen Seite seien aber auch Schritte unternommen worden, um die Straflosigkeit zu bekämpfen, etwa wenn es um die Aufhebung der Verjährungsfrist für Straftaten von Folter gehe.

Beratung über Bericht am 22. Oktober

Für die Türkei ist der aktuelle Fortschrittsbericht von entscheidender Bedeutung. So haben die EU-Regierungen signalisiert, dass sie den diesjährigen Bericht bei der Entscheidung berücksichtigen würden, ob der eingefrorene Beitrittsprozess mit der Türkei nun zu neuem Leben erweckt werde. Immerhin könnte nun nach drei Jahren erstmals wieder ein Verhandlungskapitel geöffnet werden. Im vergangenen Juni gab es hier noch eine Kehrtwende. Die geplante EU-Beitrittskonferenz mit Ankara fand nicht statt .

Am 22. Oktober soll nun erneut beraten werden. Und die Zeichen stehen gut. Anlässlich der Vorstellung des Berichts erklärte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle, dass die Europäische Union ihr Engagement in den Gesprächen verstärken müsse. Nur bei Verhandlungen bestünde seiner Ansicht nach die Chance, die Bürgerrechte in der Türkei zu stärken.