Kleine, lokale Initiativen setzen mit ihren Stadtzeitungen, Freien Radios und Video-Produktionen den kommerziellen Medien etwas entgegen. Sie gehören zur Gegenöffentlichkeit und sind ein bunter Fleck im grauen Medienmainstream. Wie das FSK, das Freie Sender Kombinat in Hamburg. Ihre oft basisdemokratischen und kollektiven Entscheidungsstrukturen ermöglichen es, dass Bürgerinnen und Bürger selbst zu Wort kommen und über Themen berichten können, die andernorts untergehen.

FSK, das Freie Sender Kombinat in Hamburg, steht ganz in der Tradition Freier Radios. Nichtkommerzielle und selbstverwaltete Radios dieser Art tauchten in Westdeutschland erstmals in den 1970er Jahren auf und entstanden nach dem Ende der DDR auch im Osten der Republik. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 30 Initiativen, die sich im Bundesverband Freier Radios (BFR) zusammengeschlossen haben. Die meisten von ihnen mussten sich den Zugang zu Frequenzen in oft jahrelangen Auseinandersetzungen erstreiten. Sie sendeten zunächst als Piratenradio, mit temporären Lizenzen oder in einem Offenen Kanal, wie einst in Hamburg.

Sören Drewes hat sich das Medium Radio ganz klassisch angeeignet. Anfangs wollte er beim FSK einfach nur mal seine Musik auflegen. Zur gleichen Zeit, im Herbst 2002, eskalierte es in Hamburg mit der polizeilichen Räumung des Bauwagenplatzes Bambule. Das FSK berichtete kritisch und aus Sicht der betroffenen Bauwagenbewohner über das Vorgehen der Polizei sowie über Innensenator Schill. Und plötzlich saß der schlaksige Sozialarbeiter nicht mehr nur vor dem Plattenteller, sondern gleich selbst hinter dem Mikrofon. »Das ging schneller als gedacht«, erinnert sich der 34-Jährige.

Ein nichtkommerzielles 24-Stunden-Programm

»Dass Otto Normalbürger die Möglichkeit hat, Radio zu machen, das im Hamburger Raum auf UKW zu hören ist und weltweit über das Internet, ist schon etwas Besonderes«, meint Sören, der heute zum monatlichen Organisationstreffen in den Sender gekommen ist. Nur wenige Minuten Fußweg ist das Studio vom Schanzenviertel entfernt, dem Hamburger Symbol alternativer Szene und Kultur, gleichzeitig Anlaufpunkt für Touristen und politisch Bewegte.

In der obersten Etage eines unscheinbaren Fabrikgebäudes in der Eimsbüttler Chaussee befinden sich die kleinen Sendestudios und Redaktionsräume. Es herrscht eine gemütliche Atmosphäre, alle kennen sich. Wer den Sender betritt, ist gleich mittendrin. Essen, quatschen, rauchen, Sendungen vorbereiten, all das findet im kleinen Eingangsbereich und zwischen zwei abgewetzten Sofaecken statt. Die meisten haben hier genauso wie Sören angefangen: Zuerst mit kleinen Dingen, um sich später mehr reinzuhängen und regelmäßig in einer Redaktion bei Sendungen mitzumachen.

Ein Programm rund um die Uhr ehrenamtlich und selbstorganisiert zu stemmen, fordert einiges an Kraft und verbindliche Strukturen. Neben den fünf Radiogruppen des Senderkombinats gibt es unzählige Redaktionen und eine Büro-AG. Andere kümmern sich um die Technik oder halten Kontakt zur Medienanstalt. Das Verhältnis zur Regulierungsbehörde ist derzeit ausgesprochen entspannt. Gerade erst wurde die Lizenz für das FSK um sage und schreibe zehn Jahre verlängert.

Nichtkommerziell heißt paradoxerweise, sich täglich mit den Themen Geld und Finanzierung auseinandersetzen zu müssen. Die Kosten für Sendebetrieb, Miete und Büromaterial sind hoch. Nur wenige der Freien Radios schaffen es, sich eigenständig zu finanzieren. FSK bildet da bundesweit eine der wenigen Ausnahmen, obwohl auch hier Werbung tabu ist.

Inzwischen werden auch die Geldtöpfe der Medienanstalt angezapft: FSK hat Anträge für die Erneuerung der Technik oder die Übernahme der Send- und Leitungskosten gestellt. Darüber gab es kontroverse Diskussionen im Sender: »Einige meinten, dass wir uns vom Staat abhängig machen, was Quatsch ist. Wir verlieren nicht unsere Unabhängigkeit. Es ist eher eine Sache, die uns zusteht und vieles auch einfacher macht.« Basis der Finanzierung bleiben nach wie vor die Fördermitgliedschaften, »weil das dem Ethos von FSK und von Freiem Radio entspricht«. Die Spendenbereitschaft hat jedoch in den vergangenen Jahren abgenommen und wird jetzt durch Eintrittgelder von Soli-Konzerten aufgefangen.

Das FSK hat in den vergangenen Jahren auch einige mediale Aufmerksamkeit erhalten. Nicht immer ganz freiwillig. Die kritische Berichterstattung über die Hamburger Polizei sorgte für Repressalien, die selbst das Bundesverfassungsgericht beschäftigt haben. 2011 bestätigte das Karlsruher Gericht die Rechtswidrigkeit einer Polizeirazzia beim FSK und einer Hausdurchsuchung bei einem Redakteur im Jahr 2003, die im Zusammenhang mit der Bambule-Berichterstattung stand.

Auch die jahrelangen Auseinandersetzungen im Sender über Kritik am Antisemitismus in der Linken wurden außerhalb Hamburgs wahrgenommen. »Wir sind aber kein Sprachrohr für bestimmte Gruppen«, versichert Sören. In der Regel begleitet der Sender politische Aktionen und Demonstrationen kritisch-solidarisch.

Das FSK gehört damit seit Jahren zur Gegenöffentlichkeit in der Stadt. Stets im Blick blieb die Gewalt und Repression durch die Polizei, von der FSK-Mitarbeiter wiederholt selbst betroffen waren. Im August vergangenen Jahres wurde ein Redakteur während des Schanzenfestes verhaftet, im November wurde ein Redakteur am Rande einer Demonstration von der Polizei während der Berichterstattung niedergeschlagen. Gerade in diesen schwierigen Momenten wurde immer wieder deutlich, dass FSK ein Medium ist, das dann doch von vielen gehört wird. »Man ist nicht nur Gegenöffentlichkeit, sondern auch ein wichtiger Spielball im gesellschaftlichen Diskurs.«

Die Polizei ist kein Freund des Senders

Das zeigte sich auch bei der Berichterstattung über den Naziaufmarsch in Lübeck 2011. Schon in der Gründungsphase von FSK gab es den Wunsch, über den Tellerrand der Metropole zu schauen und mit Radio-interessierten Leuten aus Schleswig-Holstein zusammenzuarbeiten. Dort gibt es aber lediglich einige Offene Kanäle, die als zentral verwaltete Anstalten öffentlichen Rechts und als technische Plattformen zur Medienkompetenzvermittlung betrieben werden. »Es gibt dort aber einzelne Sendungen, die einen anderen Anspruch haben. Deswegen war es möglich, mit denen zusammen die Sendung in Lübeck zu bestreiten«, erinnert sich Sören. Und über den Naziaufmarsch hätten die gängigen Medien nicht so umfassend und genau berichtet. »Unsere Berichtererstattung, die wir vor Ort zusammen mit dem Offenen Kanal gemacht haben, hat dazu geführt, dass sogar die Polizei im Radio angerufen hat. Ihr wäre es am liebsten gewesen, wenn die Sendung sofort beendet worden wäre.«

Ein weitaus schwerwiegender Eingriff ereignete sich schon 2005, als vor einem Naziaufmarsch in Kiel die Polizei auf den dortigen Offenen Kanal und die Medienanstalt Druck ausübte, der eine Berichterstattung über die antifaschistischen Gegenaktivitäten schließlich verhinderte. Der Offene Kanal Kiel wurde an diesem Tag kurzfristig geschlossen und ein Zugang für die Radiomacherinnen und Radiomacher verweigert. Bei einem selbstverwalteten Freien Radio wäre das nicht denkbar. Für Sören wird klar, was für eine Stärke man entwickelt kann. Die Berichterstattung zum nächsten Naziaufmarsch Ende März 2012 in Lübeck wird derzeit schon von den Radioaktivisten vorbereitet.

Trotz der positiven Entwicklung gibt es auch nachdenkliche Stimmen. Sören muss zugeben, dass das FSK nach wie vor nur in ganz bestimmten Kreisen wahrgenommen wird. Dass das am Wandel der Medienlandschaft liegt, glaubt er nicht. Ganz im Gegenteil. In Zeiten von mp3, Youtube und sozialen Netzwerken wirkt Radio zwar auf den ersten Blick veraltet. Aber im Gegensatz zu Internet-Radios steht das FSK fast noch besser da, weil es eben nicht nur über das Internet hörbar ist, sondern als Freies Radio in Hamburg ganz klare Bezüge zur Stadt hat. »Das ergibt auch die Motivation, hier aktiv zu sein«, meint Sören. Für ihn ist das Internet eine ideale Ergänzung.

Was ihm nach wie vor fehlt, ist die mangelnde Kommunikation untereinander, die fehlende Streitkultur im Radio. »Das führt im Alltag bei den Leuten zu Frust und Überlastung, außerdem zu informellen Hierarchien oder auch zu Ausschlüssen. Die Utopie ›der Hörende ist der Sendende‹ und der Anspruch, neue Leute als Mitarbeiter zu gewinnen, die sich wiederfinden, ihre Sendung machen können und sich politisch integrieren - ist so einfach leider nicht.« Genau das würde den Redakteuren aber auf die Füße fallen, wenn einmal wieder kritischere Zeiten kommen. Denn es würde bedeuten, dass man nicht mehr gemeinsam reagieren kann und damit das Projekt am Ende ist.nd