Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ist unter der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogen unmöglich geworden. Die Außenpolitik der AKP-Regierung hat in letzter Zeit undemokratische und undiplomatische Verhaltensweisen zutage gelegt. Politiker in Deutschland wurden durch den türkischen Präsidenten und einige seiner Minister scharf attackiert, sie wurden in höchstem Grade beleidigt und sogar mit Nazis verglichen, was nicht hinnehmbar ist. Er hat auch in den deutschen Wahlkampf versucht einzugreifen, in dem er Wahlempfehlungen an die türkischstämmigen Wähler in Deutschland abgeben hat. Das kann und soll nicht akzeptiert werden.  

Hinzu kommt, dass die türkische Regierung von demokratischen Rechten und von Menschenrechten immer weiter abdriftet. Die Presse- und Meinungsfreiheit wurden seit dem Putschversuch im Juli 2016 außer Kraft gesetzt. Alle Medien im Lande werden nach und nach gleichgeschaltet. Journalisten und Menschenrechtler, die das und andere Missstände der Regierung oder von der Regierung gesteuerter Organisationen anprangern, werden inhaftiert und sitzen seit Monaten ohne Anklage in Untersuchungshaft.

Jeder, der seine Meinung zur türkischen Regierung oder zu Menschenrechten in der Türkei äußert, wird als Terrorist oder Terrorhelfer, Putschist oder Umsturzhelfer  inhaftiert. Es spielt dabei die Staatsangehörigkeit der Betroffenen keine Rolle. Keine Rolle spielt dabei auch, dass eine Beteiligung dieser Menschen am Terrorismus oder am Putsch nicht nachgewiesen werden kann bzw. dass keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt.

Die türkische Regierung verursacht durch ihre neue politische Gangart in vielerlei Hinsicht Schäden, die sehr gefährlich ist:  

Sie schadet der türkischen Wirtschaft. Ausländische Investitionen bleiben weg oder ziehen sich zurück. Der Tourismus, der einen großen Wirtschaftzweig in der Türkei darstellt, kommt in vielen Touristenhochburgen zum Erliegen. Die türkische Bevölkerung, die vom Tourismus ihren Lebensunterhalt sichert, hat enorme

finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Die Arbeitslosigkeit in der Tourismusbranche ist sehr angestiegen.   

Angestellte und Beamte des Staates werden und wurden zu Hunderttausenden entlassen, mit der Begründung, sie seien Unterstützer der Hizmetbewegung des Predigers Fethullah Gülen, der in der Türkei zum Terroristen erklärt worden ist.

Die türkische Regierung schadet mit ihrem Verhalten aber auch seinen eigenen Staatsbürgern und seinen ehemaligen Staatsbürgern, die in Deutschland und in anderen EU-Staaten leben. Die türkische Politik findet auch in Deutschland und in Europa statt und die Spaltung der Gesellschaft in Türken und Kurden, FETÖ-Anhänger und Nicht-FETÖ-Anhänger, PKK`ler und Nicht-PKK`ler und AKP-Anhänger und Nicht-AKP-Anhänger geht weiter. Weite Teile der türkischen und türkischstämmigen Menschen werden ausspioniert und denunziert. Sie haben Angst, in ihre Heimat zu fahren oder zu fliegen. Es kommt zu regelmäßigen Festnahmen und Inhaftierungen, weil ihnen zumindest die Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen wird.

 Die Türkei muss die Kopenhagenerkriterien akzeptieren und die Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Krieterien schaffen. Dazu gehört es, dass die Kurdenfrage geklärt ist, dass die Religionsfreiheit in der Türkei vorangetrieben wird, dass die Frage des Völkermordes an den Armeniern geklärt ist und dass die Zypernfrage ebenfalls gelöst wird.

Die Menschenrechtsverletzungen, die in der Türkei seit dem Putschversuch im Juli 2016 an der Tagesordnung sind, müssen eingestellt werden. Der türkische Präsident hat die Todesstrafe, die abgeschafft ist, wieder an die Tagesordnung gebracht und bereits mehrmals kundgetan, dass er sie wieder einführen wird, wenn das Volk sie wünsche. Eine solche Rückkehr zur Todesstrafe darf es nicht geben. Die Türkei ist derzeit von der Rechtsstaatlichkeit sehr weit entfernt. Faire Gerichtsverfahren sind auch nicht zu verzeichnen.

 Hinzu kommt, dass bevor ein Beitritt in die EU erfolgen kann, auch ökonomische, ökologische Voraussetzungen, Städteentwicklungen etc. geschaffen werden müssen. Diese müssen einen EU-Standard erreichen. Demokratische Strukturen können in der Türkei wieder hergestellt werden, wenn alle demokratischen Parteien, Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen  zusammenarbeiten und die Einhaltung der Demokratie und der Menschenrechte in der Türkei überwachen und einfordern.

Diese jüngste Entwicklung in der Türkei zeigt, dass die Türkei unbedingt eine Vollmitgliedschaft in der EU erhalten muss. Die geographische Lage spricht nicht dagegen. Die Ukraine, die geographisch mindestens genau so entfernt von Europa liegt, wird auch als ein europäisches Land angesehen. Dieses Argument zieht daher nicht. 

Die EU muss feste demokratische Vorgaben an die Türkei machen und aber auch dann ein festes Datum für den Beitritt benennen. Die Türkei muss sodann diese demokratischen Vorgaben bis zur Frist umsetzen.

Ansonsten würde eine Ausgrenzung der Türkei aus der EU die Türkei von der Demokratie und von Menschenrechten noch mehr entfernen. Die Menschen in der Türkei würden noch mehr unterdrückt werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass eine Flüchtlingswelle aus der Türkei in die europäischen Länder und nach Deutschland auf uns zukommen wird.  

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel  hat am 19. und 20. Oktober 2017 beim Brüsseler Gipfeltreffen mit den übrigen Staats –und Reierungschefs über den Abbruch der Beitittsverhandlungen mit der Türkei beraten. Eine breite Mehrheit dafür hat es nicht gegeben. Es hat aber eine Einigung darüber gegeben, dass finanzielle Hilfen und Zollregelungen für die Türkei eingeschränkt oder auf Eis gelegt werden sollen. Wirtschaftliche Sanktionen und Zollregulierungen werden die Türkei sehr empfindlich treffen.

Türkische und ehemals türkische Staatsbürger müssen sich von der türkischen Politik distanzieren. Da sie ein Bestandteil der Gesellschaft des europäischen Landes, in dem sie leben, geworden sind, müssen sie sich mit dem politischen Leben an dem Ort, an dem sie ihren Lebensmittelpunkt haben, beschäftigen. Denn sie haben dort sehr viele Probleme mit der Arbeitslosigkeit, Integration, Altersarmut, Ausländerfeindlichkeit, fehlende oder unzureichende berufliche und schulische Ausbildung etc. Das sind brennendere Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Ihr Problem ist nicht die Wiederwahl Recep Tayyip Erdogans in der Türkei, der ihre brennenden Probleme hier nicht kennt, nicht lösen kann und wird. Das muss den europäischen und deutschen Türken und Kurden bewusst werden. D. h., ihre Probleme sind hier. Ihre Lösungen sind aber auch hier.

Für die Türkei als Land kann es aber auch  nur eine Lösung geben, nämlich eine EU-Mitgliedschaft bei vollständiger Einhaltung und Umsetzung der Menschen- und Freiheitsrechte.