Der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas hat die Reparationsforderungen Griechenlands für die Zeit des Nationalsozialismus auf 278,7 Milliarden Euro beziffert. Auf diese Summe komme nach einer ersten Auswertung ein Parlamentsausschuss, der sich mit den Entschädigungen befasst, teilte Mardas am späten Montagabend im griechischen Parlament mit. Das Thema belastet die deutsch-griechischen Beziehungen seit Jahrzehnten.

Zu den Reparationsforderungen gibt es bereits eine umfangreiche griechische Studie. Auf deren Grundlage prüfen der Parlamentsausschuss und der Oberste Gerichtshof des Landes zurzeit, wie mögliche Reparationsforderungen an Deutschland erhoben werden können. Die Gesamtforderungen werden darin in einer Höhe zwischen 269 und 332 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesregierung sieht die Entschädigungsfrage dagegen als erledigt an.



Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte im März im Parlament gesagt, mit der Bildung des Ausschusses «ehren wir alle Opfer des Zweiten Weltkrieges und des Nazismus (…) sowie des griechischen Widerstandes. Wir vergessen nicht, dass das deutsche Volk auch unter den Nazis gelitten hat», fügte er hinzu.

Griechenland will seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen und in den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern möglichst bald eine Einigung erzielen. Finanzminister Gianis Varoufakis sagte dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die Rückzahlung eines Kredits von rund 450 Millionen Euro zu, der am Donnerstag fällig wird.

Nach einem Treffen mit der IWF-Chefin Christine Lagarde in Washington betonte der Minister in der Nacht zum Montag: «Die griechische Regierung erfüllt immer ihre Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern, und sie hat vor, dies auch weiterhin zu tun.» Lagarde bestätigte in einer schriftlichen Erklärung, dass Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen werde.

Varoufakis versicherte seinerseits, sein Land werde diverse Reformen in die Tat umsetzen. Ziel sei jetzt, das Verfahren der Verhandlungen mit den Geldgebern «viel effektiver zu machen». Athen 
versucht den IWF dazu zu bewegen, von der Forderung abzugehen, dass Griechenland für den Erhalt dringend benötigter Hilfen bis Juli eine Reihe von Einschnitten vornehmen müsse.

Der IWF verlangt dem Vernehmen nach Rentenkürzungen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die anderen Geldgeber in Europa seien «flexibler», berichteten übereinstimmend griechische Medien am Montag. Die Verhandlungen Griechenlands mit den Geldgebern sollen diese Woche in Brüssel und Athen intensiviert werden.

Allerdings gilt eine baldige Auszahlung neuer Hilfen als unwahrscheinlich. In Brüssel wurden Erwartungen an das Treffen der Finanzstaatssekretäre der 19 Euroländer an diesem Mittwoch und Donnerstag heruntergeschraubt. Es werde voraussichtlich – wie schon bei der Schaltkonferenz in der vergangenen Woche – um eine Bestandsaufnahme gehen, hieß es am Osterwochenende in EU-Kreisen.

In der Runde hatte es vor Ostern keine Gewissheit gegeben, dass Griechenland an diesem Donnerstag die Rückzahlung an den IWF stemmen kann. Auch mit einer baldigen Einberufung eines Sondertreffens der Euro-Finanzminister werde derzeit nicht gerechnet, hieß es. Die nächste Zusammenkunft der Ressortchefs ist am 24. Mai im lettischen Riga geplant. Nur die Minister können neue Milliardenhilfen an Griechenland auf den Weg bringen.

Eine Lösung in der griechischen Finanzkrise kann nach den Worten von Varoufakis nur in der «europäischen Familie» gefunden werden. Zu den seit Tagen kursierenden Gerüchten, Griechenland könnte Kredite außerhalb der EU (wie etwa in Russland oder China) suchen, antwortete der Minister dem Athener Wirtschaftsblatt «Naftemboriki»: «Die Lösung der Krise (…) betrifft die europäische Familie und muss im Rahmen der EU gefunden werden.» Am 8. April reist der griechische Regierungschef Alexis Tsipras zu einem Besuch nach Moskau.

Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis wies Befürchtungen zurück, die Russlandreise von Tsipras könnte eine Distanzierung Griechenlands von der EU bedeuten. «Die proeuropäische Haltung Griechenlands ist gesichert», sagte er dem TV-Sender Mega. Nach Worten des stellvertretenden Finanzministers Dimitris Mardas verfügt die griechische Regierung über genügend Gelder, um in dieser Woche die Renten und die Gehälter für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auszuzahlen. «Das heißt aber nicht, dass wir in der übernächsten Woche kein Geld mehr haben», betonte er.

Im griechischen Parlament nahm am Wochenende ein Untersuchungsausschuss die Arbeit auf, der herausfinden will, wer für die Schuldenkrise des Staates verantwortlich war. Dem Gremium gehören auch internationale Experten an. Es befasst sich mit der Amtszeit des sozialistischen Regierungschefs Giorgos Papandreou (2009 bis 2011), des parteilosen Übergangs-Regierungschefs Lucas Papademos (2011 bis 2012) und der Koalitionsregierung der Konservativen und der Sozialisten (Juni 2012 bis Januar 2015) unter dem damaligen Premier Antonis Samaras.