Eigentlich wollten sich die 2000 Schulleiter anhören, was Ex-Fußballstar Paul Breitner über «Schulleitung als Leistungssport» zu sagen hat. Ein Urteil des Verfassungsgerichts zum Kopftuchverbot bei muslimischen Lehrerinnen setzte dann aber ein topaktuelles Schlaglicht bei ihrem Kongress in Düsseldorf. Viele leitende Lehrer fragten am Freitag ratlos, was der Richterspruch für sie bedeutet.

Grundsätzlich darf der Staat Lehrerinnen das Kopftuch nun nicht mehr verbieten – nur bei einer «hinreichend konkreten Gefahr» für den Schulfrieden oder für die staatliche Neutralität. «Wie soll ich das entscheiden?», fragt Bettina Pfeiffer, stellvertretende Leiterin der Europaschule im niederrheinischen Erkelenz. «Das wird schwierig, im Alltag eine mögliche Gefährdung einzuschätzen», sagt die Realschul-Konrektorin der Deutschen Presse-Agentur. In der Abwägung steht für sie dennoch der Toleranzgedanke im Vordergrund. «Auch Juden sollten ihre Kappen tragen dürfen.»

Die Frage nach der Praktikabilität stellen sich die meisten Schulleiter, berichtet die dpa. «Grundsätzlich würde ich mir schon zutrauen, eine mögliche Gefährung einzuschätzen», meint Hubert Bertke, Leiter der Adolf-Kolping-Berufsschule im niedersächsischen Lohne. «Solche Zeichen kommen allerdings viel früher bei den Lehrerkollegen an als beim Schulleiter», weiß der Oberstudiendirektor. Müssten die nach dem Urteil nun besser auf muslimische Kollegen achten? «Das kann auch Schlimmes bedeuten», überlegt er. Wenn es dadurch zur gegenseitigen Bespitzelung im Kollegium käme, könnten Lehrer nicht mehr frei und kreativ arbeiten.

Der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sieht es als Verstoß gegen die Neutralitätspflicht, wenn muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch im Unterricht tragen wollen. In NRW hat es in den vergangenen Jahren nach Auskunft des Schulministeriums an die 20 Fälle gegeben, in denen Muslima dies begehrten. Derzeit ist ihnen das Kopftuch aber nur im Religionsunterricht gestattet.

Auch außerhalb des Klassenraums hatte ein Fall im vergangenen November für Furore gesorgt: Die Rektorin einer Essener Grundschule untersagte einer Mutter, ihr Kind im Ganzkörperschleier auf dem Schulhof abzuholen, um andere Kinder nicht zu verängstigen.

Beckmann fürchtet, dass das Verfassungsgerichtsurteil nun traditionalistischen Gruppen in die Karten spielt und Druck auf muslimische Schülerinnen erzeugt, die eigentlich kein Kopftuch tragen wollen. Dies werde jene stärken, die nach Art einer «Scharia-Polizei» das Verhalten von Frauen reglementieren wollten, kritisiert der Lehrergewerkschafter.

Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann wollte sich auf dem Kongress nicht aktuell zum Urteil äußern. Ihr Vortrag setzte sich aber auch mit muslimischem Glauben auseinander. Islamischer Religionsunterricht habe auch in Deutschland seine Berechtigung, stellt die Protestantin fest – aber bitte nach deutschem Curriculum mit hier ausgebildeten Lehrern. Klar ist für die Protestantin aber auch: Parallelgesellschaften dürfen nicht toleriert werden. «Wir haben viel zu lange gesagt: Es gibt Räume, wo anders gelebt wird», mahnt sie. «Für unsere Grundkultur müssen wir einstehen.»

Der Leiter der Freien Oberschule Fürstenwalde in Brandenburg, Philipp Schittek, hat kein grundsätzliches Problem mit dem Kopftuch. «Ich würde das zulassen», sagt er der dpa. «Wir müssen uns nicht schützen. Unter jedem Kopftuch steckt eine eigene Persönlichkeit. Es wäre meine Aufgabe, das zu kommunizieren.» Die Einzelfallprüfung, die nun auf die Schulen zukommt, sehen viele allerdings skeptisch. «Wir haben sowieso schon so viel zu tun», seufzt Oberstudiendirektor Bertke.

Trost vom ehemaligen Fußball-Profi Breitner konnten die Schulleiter nicht mit nach Hause nehmen. In einem beinahe philosophischen Grundsatzvortrag – hier und da gespickt mit lateinischen und mathematischen Weisheiten – verordnete er ihnen ein Zehn-Punkte-Programm zum optimalen Schulchef. Dazu gehöre die Risikobereitschaft, «ein Typ zu sein» und höhere Ansprüche an sich selbst zu stellen. «Druck spielt auch eine Rolle», dozierte der 63-Jährige. «Wer den Druck nicht aushält, muss sich einen anderen Job suchen.»