Der SVR-Forschungsbereichs hat die Korrespondenz von rund 3.600 Bewerbungen untersucht. Das Ergebnis: Schüler mit einem türkischen Namen haben bei einer Bewerbung auf einen Ausbildungsplatz deutlich schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden als Schüler mit einem deutschen Namen. Vermieden werden könnte das mit Hilfe anonymisierter Bewerbungsverfahren. Darüber hinaus empfiehlt der SVR unter anderem verstärkte interkulturelle Schulungen auf betrieblicher Ebene.


Jugendliche mit Migrationshintergrund müssen „deutlich mehr Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, als Mitbewerber ohne Migrationshintergrund“, so der SVR in einer Mitteilung. Nach wie vor sei ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausbildung im dualen System in Deutschland nicht gewährleistet. Obendrein würden noch immer über zwei Drittel der Ausbildungsbetriebe in Deutschland keine Auszubildenden mit Migrationshintergrund beschäftigen.

Türkischer Kandidat muss mehr Bewerbungen schreiben

Für die Studie, so informiert der SVR, seien jeweils zwei fiktive Bewerbungen von gleich gut qualifizierten männlichen Bewerbern mit einem türkischen und einem deutschen Namen für die Ausbildungsberufe Kfz-Mechatroniker und Bürokaufmann bundesweit an rund 1.800 Unternehmen verschickt worden. Die Auswertung am Ende ergab:

„Um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten, muss ein Kandidat mit einem deutschen Namen durchschnittlich fünf Bewerbungen schreiben, ein Bewerber mit einem türkischen Namen hingegen sieben.“

Diskriminierung trete aber nicht in allen Branchen gleichermaßen auf, so Dr. Jan Schneider, Leiter des SVR-Forschungsbereichs und Autor der Studie. Einen wichtigen Einfluss auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung habe außerdem die Unternehmensgröße: Die Diskriminierungsrate sei bei kleinen Firmen mit weniger als sechs Mitarbeitern deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen. Die Gründe sind vielseitig: Häufig handle es sich „unbewusste Assoziationen, stereotype Zuschreibungen oder Erwartungen, die auf bestimmten Vorbehalten basieren“. Dabei ist oft das Gegenteil der Fall.

Sicherung der Fachkräftebasis gefährdet

Schneider warnt nun vor langfristigen Folgen dieses Verhaltens für die Wirtschaft, aber auch für den Einzelnen. Er ist überzeugt, dass den Ausbildungsbetrieben so  geeignete Bewerber entgehen würden. Mittelfristig könne dies sogar die Sicherung der Fachkräftebasis gefährden. Folgenschwer sei dieser Umstand aber auch für die Betroffenen. „Wenn junge Menschen mit Migrations-hintergrund die Erfahrung machen, dass sie auf ihre Bewerbungen immer wieder Absagen erhalten, kann das zu Resignation und Rückzugstendenzen führen“, sagt Schneider.

Der SVR rät nun dringend zu einer verstärkten Sensibilisierung von Firmenchefs, Personalverantwortlichen und Ausbildern. Es gelte, interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Daneben empfiehlt der Rat: „Ein entscheidender Beitrag zur Verringerung von Diskriminierung in Bewerbungsverfahren ist die Anonymisierung von Bewerbungen.“ Dringend erforderlich sei in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung einer kostengünstigen EDV-Lösung für kleine und mittlere Betriebe sowie eine engere Kooperation zwischen Schulen und Firmen. „Die Gesellschaft kann es sich schon wirtschaftlich nicht leisten, auf muslimische Fachkräfte zu verzichten“, so die Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin Lamya Kaddor.